Abgründe des Goldenen Zeitalters
Sowjetvergangenheit in Georgiens Schulbuch
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Abstract
Die Erinnerung an den Sozialismus in Georgien ist widersprüchlich. Verklären ihn die einen als goldenes Zeitalter der Stabilität, deuten ihn die anderen als Fremdherrschaft. Auch an der Bewertung Stalins scheiden sich die Geister. Momentan betont Georgiens Führung die repressiven Züge des Sowjetsystems. Das erlaubt ihr, sich von der alten Elite abzugrenzen. Ein wichtiges Instrument zur Sozialisation der Jugend und zur Vermittlung eines homogenen, nationalen Geschichtsbildes ist das Schulbuch. Es ist ein Bindeglied zwischen Politik, Pädagogik und Geschichtswissenschaft. Doch in den georgischen Schulbüchern herrscht mehr Pluralismus in der Darstellung der Geschichte als in den Diskursen der Elite. Die Deutung der Vergangenheit ist im Fluss.
(Osteuropa 8/2010, S. 91104)
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Die Erinnerung an den Sozialismus in Georgien ist widersprüchlich. Verklären ihn die einen als goldenes Zeitalter der Stabilität, deuten ihn die anderen als Fremdherrschaft. Auch an der Bewertung Stalins scheiden sich die Geister. Momentan betont Georgiens Führung die repressiven Züge des Sowjetsystems. Das erlaubt ihr, sich von der alten Elite abzugrenzen. Ein wichtiges Instrument zur Sozialisation der Jugend und zur Vermittlung eines homogenen, nationalen Geschichtsbildes ist das Schulbuch. Es ist ein Bindeglied zwischen Politik, Pädagogik und Geschichtswissenschaft. Doch in den georgischen Schulbüchern herrscht mehr Pluralismus in der Darstellung der Geschichte als in den Diskursen der Elite. Die Deutung der Vergangenheit ist im Fluss.
Neben dem Baltikum zählte Georgien zu den Sowjetrepubliken, deren Streben nach Unabhängigkeit und Eigenstaatlichkeit am stärksten ausgeprägt war. In Georgien hing dies mit der Erinnerung an die Eigenstaatlichkeit 1918–1921 zusammen. Doch der Übergang von der sowjetischen Periode in das erhoffte freie und demokratische Zeitalter gestaltete sich alles andere als friedlich und gedeihlich. Georgien wurde nicht nur durch die Konflikte in den Autonomieregionen Abchasien und Südossetien erschüttert. Die ständigen politischen Konfrontationen und die wirtschaftliche Notlage unmittelbar nach der Unabhängigkeit stürzten das Land in eine tiefe Krise. Die Träume und Hoffnungen der Menschen, die am 9. April 1989 enthusiastisch für die Unabhängigkeit des Landes demonstriert und dafür sogar ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatten, verblassten bereits in den ersten Jahren der Unabhängigkeit, die zahlreiche soziale Härten brachten. Nach fast zwei Jahrzehnten Eigenstaatlichkeit diskutiert die georgische Gesellschaft, weshalb gerade in dem Land, das sich am meisten für die eigene Staatlichkeit einsetzte, die Transformation derart krisenhaft und turbulent verlief. Wäre eine schrittweise Desowjetisierung vielleicht eine bessere Option gewesen als das geradezu fieberhafte Beharren der Nationalbewegung auf der sofortigen Unabhängigkeit, ohne taktische Überlegungen und ohne stabile wirtschaftliche Grundlagen? Gleichzeitig trifft man auch auf die Auffassung, die nach der Unabhängigkeit auftretenden politischen oder wirtschaftlichen Probleme hätten ihren Ursprung bereits im sowjetischen System: Nach herrschender Meinung führte der widersprüchliche, ethnisch ausgerichtete Aufbau der Autonomiehierarchie der Völker in der Sowjetunion in vier Stufen (Unionsrepublik, autonome Sowjetrepublik, autonomes Gebiet, autonomer Kreis), also das sogenannte „Matrjoschka-System“, zur Verschärfung der Konflikte in den georgischen Autonomieregionen. Damit sei deren spätere Eskalation vorprogrammiert gewesen. Auch weitverbreitete sowjetische Praktiken wie Korruption, unüberschaubare Bürokratie, Patronagenetzwerke oder die Veruntreuung von staatlichem Eigentum seien von den Funktionären im unabhängigen georgischen Staat übernommen worden und hätten den Aufbau einer effizienten Verwaltung behindert.
Eine kritische wissenschaftliche Aufarbeitung dieser Periode steht aus. Nötig wäre sie nicht zuletzt, um darüber nachzudenken, wie die politischen und wirtschaftlichen Altlasten des sowjetischen Systems saniert werden können. Diese Altlasten beeinflussen die politischen Entscheidungen der Gegenwart und sind Gegenstand heftiger gesellschaftlicher Debatten.
Die Aufarbeitung der sowjetischen Vergangenheit lohnt sich aber auch aus einer alltagsgeschichtlichen Perspektive. Denn je nach ihrer Position und ihrer Partizipation an der Gesellschaft haben die Menschen das Leben in der Sowjetunion unterschiedlich erlebt. So wird die Tochter eines Arbeiters, der das sowjetische System einen Karrieresprung ins akademische Milieu ermöglichte, diese Zeit anders erinnern als ein Kind deportierter Menschen, dem wegen seiner Herkunft die Türen der staatlichen Institutionen verschlossen blieben. Schließlich verbinden viele Menschen angesichts der schwierigen sozialen Lage von heute mit der sowjetischen Periode, insbesondere der 1960er bis 1980er Jahre, Stabilität und einen bescheidenden materiellen Wohlstand. So wird der Sozialismus von den einen zum goldenen Zeitalter verklärt, von den anderen aber als eine Zeit der Fremdherrschaft gedeutet.
Widersprüchliche Geschichtsbilder
Allgemein lassen sich in der georgischen Diskussion über die sowjetische Vergangenheit dieselben Trends erkennen, die auch in anderen osteuropäischen Erinnerungs-kulturen zu beobachten sind. Das Schicksalsjahr 1989 hat in Georgien nicht nur eine entscheidende politische Wende, sondern auch eine Debatte um die Neubewertung dieser Vergangenheit eingeleitet. Die georgischen Dissidenten waren die ersten in den 1980er Jahren, die sich verstärkt mit Fragen der nationalen Identität und des nationalen Selbstbestimmungsrechtes auseinandersetzten. Die Frage nach dem Umgang mit der sowjetischen Vergangenheit gewann erst nach der Rosenrevolution wieder an Dynamik. Seit dieser Zeit werden im Fernsehen regelmäßig Dokumentationen zu bestimmten Episoden oder Aspekten der jüngsten Geschichte ausgestrahlt. Nach dem Krieg mit Russland im Sommer 2008 wurde unter Anwesenheit von Präsident Saakaschwili das neue Okkupationsmuseum eröffnet, ein Teil des Nationalmuseums, in dem Materialien aus der Zeit der ersten georgischen Republik sowie der Sowjetisierung Georgiens ausgestellt sind.
Außerdem wurde beim Innenministerium eine Archivabteilung eingerichtet, in dem die Archive der georgischen kommunistischen Partei und des Komitees für Staatssicherheit (KGB) untergebracht sind. Das Archiv veröffentlicht zeitgeschichtliche Dokumentationen, die eher der populärwissenschaftlichen Literatur zuzuordnen sind. In der aktuellen Diskussion bemühen sich die staatlichen Eliten, die Erinnerungen an die sowjetische Vergangenheit und den Sozialismus zu einem kohärenten Bild zu formen. Dabei werden die repressiven Züge des Systems in den Vordergrund gerückt. In den öffentlich-rechtlichen Massenmedien sind häufig historische Dokumentationen über Deportationen und Repressionen des sowjetischen Regimes zu finden. Auch in der vom georgischen Innenministerium herausgegebenen Reihe Sakartvelos Moembe erscheinen zahlreiche Publikationen zum „Russischen Chauvinismus“, der „Russischen Kolonialpolitik“ oder der „Tradition der sowjetischen außenpolitischen Propaganda“, die den totalitären Charakter des sowjetischen Systems unterstreichen. Dasselbe gilt für das sowjetische Okkupationsmuseum. Hier wird betont, dass die erste georgische Republik 1918–1921 handlungs- und überlebensfähig war, ehe sie gestürzt wurde. All diese Darstellungen haben ein homogenes Geschichtsbild gemeinsam: Die sowjetische Periode in Georgien war eine Fremdherrschaft. Alltagsgeschichtliche Fragestellungen oder individuelle Erinnerungen werden im offiziellen Diskurs in der Regel ausgeblendet. Die Gesellschaft wird nicht differenziert betrachtet, sondern als homogenes Volk. Es ist jedoch fraglich, wie unumstritten dieses von staatlicher Seite kanonisierte Bild der sowjetischen Vergangenheit in Georgien wirklich ist. Ein kritischer Blick registriert zahlreiche Widersprüche und Kontroversen – beispielsweise in der Frage, ob das Vorgehen der Nationalbewegung 1989 strategisch und taktisch sinnvoll war. Ein anderes Beispiel ist die Debatte über den ersten georgischen Präsidenten Swiad Gamsachurdia, der von den einen zum Nationalhelden erklärt, von den anderen als „politisch unerfahrenes und strategisch unbedarftes Staatsoberhaupt“ beschrieben wird. Über die Bedeutung von Stalins georgischer Abstammung und seine Rolle für das politische Leben Georgiens wird bis heute vehement gestritten. Für die einen ist Stalin ein typischer sowjetisch-russischer Diktator, der neben seinen Greueltaten in der gesamten UdSSR auch Georgiens territoriale Zergliederung zu verantworten hat und besonders der georgischen Bevölkerung viel Leid und Opfer verursacht hat. Für die anderen ist er zwar ein Diktator, der für seine georgische Heimat aber auch Gutes getan hat. Für die dritten bleibt er „ein großer Mann und Führer“, dessen strategischer Überlegenheit der Sieg gegen den Faschismus im Zweiten Weltkrieg zu verdanken sei. Erst am 25. Juni 2010 ließ die Regierung das Stalin-Denkmal in Gori, der Geburtsstadt des Diktators, entfernen – und zwar in einer Nacht- und Nebelaktion, da sie scharfe Proteste der Einwohner, die sich gegen die Demontage ausgesprochen hatten, vermeiden wollte. Präsident Saakaschwili erklärte, es sei unmöglich, in ein und demselben Land ein Okkupationsmuseum zu haben und auch ein Denkmal für die Person, die für diese Okkupation verantwortlich gewesen sei: „Wir sollten zivilisiert mit der Geschichte umgehen“, so der georgische Präsident. Das Denkmal wurde ins Stalinmuseum in Gori gebracht, an seiner Stelle will die Regierung ein Denkmal für die Opfer des Stalinismus errichten. In der Bevölkerung löste diese Aktion jedoch große Debatten aus, an denen die gegensätzlichen Positionen zur jüngsten georgischen Geschichte deutlich wurden. Auch für die Verabschiedung eines Lustrationsgesetzes fand sich im Parlament bisher keine Mehrheit.
Die Dominanz eines spezifischen Geschichtsdiskurses ist oft mit politischen Interessen verknüpft. Die Betonung des repressiven Charakters des sowjetischen Systems erlaubt es den jungen, nach der Rosenrevolution an die Macht gekommenen Eliten, sich von den alten Eliten, die weitgehend der sowjetischen Nomenklatura entstammten, abzugrenzen und sich neu zu definieren. Das kulturelle Gedächtnis entsteht nicht einfach aus sich heraus, sondern ist auch „das Resultat einer gezielten Erinnerungspolitik“. In dem langwierigen Aushandlungsprozess, der dieses kulturelle Gedächtnis formt, spielen Schulbücher eine wichtige Rolle. Sie entwerfen ein Bild der gemeinsamen Vergangenheit und sogar der möglichen Zukunft, sie definieren das offizielle geschichtliche Wissen einer Gesellschaft über die eigene Vergangenheit und sind insofern Teil des offiziellen politischen Diskurses.
Das Geschichtslehrbuch als multifunktionales Medium
Ein Geschichtslehrbuch kann je nach gesellschaftlichem, kulturellem und sozialem Hintergrund unterschiedliche Funktionen haben: Es kann ein reines Lernmittel für den Geschichtsunterricht sein, es kann aber auch als Sozialisationsmedium eingesetzt werden, mit dessen Hilfe der Staat die jungen Mitglieder der Gesellschaft in das Verständnis ihrer staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten einweist und sie zu loyalen Bürgern heranzuziehen versucht.
Als Lehrmittel und als Medium muss das Geschichtslehrbuch neben didaktischen Ansprüchen auch den Anforderungen des nationalen Curriculums gerecht werden, es muss den Ergebnissen der Geschichtsforschung und den Grundprinzipien der Verfassung entsprechen. So betrachtet fungiert es als Bindeglied zwischen Geschichtswissenschaft, Pädagogik und Politik. Als klassisches Medium, das in der Gesellschaft weit verbreitet und anerkannt ist, steht es mit anderen Medien wie Zeitung, Büchern, Computer oder Fernsehen in einem engen Zusammenhang. Ein modernes Schulbuch ist meist ein vielschichtiges Werk, in dem verschiedene Diskurse und Genres miteinander verflochten sind.
Im Unterschied zu westlichen Ländern werden in einer traditionalistischen Gesellschaft wie Georgien Schulbuchinhalte eng mit dem nationalen Selbstverständnis assoziiert. Nach der hier verbreiteten Vorstellung dienen Geschichtslehrbücher vor allem dazu, die Jugend mit der gemeinsamen nationalen Geschichte vertraut zu machen und sie zu motivieren, der Heimat zu dienen. Heutzutage achten die georgischen Schulbuchautoren darauf, dass ein Geschichtsbuch friedensfördernde Darstellung enthält, damit Vorurteile gegenüber Minderheiten im Sinne einer effizienten Staatsbildung abgebaut werden können.
Das Schulbuch ist demnach ein Abbild der kollektiven, nationalen Geschichte, in dem alle bedeutenden Ereignisse im Leben einer Nation zusammengefasst und in komprimierter Form wiedergegeben sind. Zugleich ist es eine wichtige Ressource, die von den Bildungseliten zur Vereinheitlichung der Erinnerung eingesetzt wird. Daher können durch eine Schulbuchanalyse die von Bildungseliten lancierten geschichtspolitischen Deutungen herausgearbeitet und erkannt werden.
Georgische Schulbücher
Georgien gehört zu den postsowjetischen Staaten, die nach dem Systemwechsel sehr schnell neue Geschichtslehrbücher herausgegeben haben. Seit 1989 sind drei Generationen von Schulbüchern erschienen: Die erste Generation von Lehrbüchern, die die neueste Geschichte bzw. das 20. Jahrhundert behandeln, erschien in den frühen 1990er Jahren. Bücher zur Geschichte der Antike, des Mittelalters und der frühen Neuzeit kamen bereits 1990–91 heraus. Die zweite Generation von Lehrbüchern erschien ab den späten 1990er Jahren bis 2004. Die dritte Generation kam nach der Bildungsreform von 2005 heraus, zwischen 2006 und 2009.
Der sowjetische Teil der Geschichte wird nach den georgischen Lehrplänen derzeit in der 5. Klasse („Georgien in der Sowjetunion“), in der 8. Klasse (als Teil des Themas „Kommunismus“), dann ausführlich in der 9. Klasse und noch einmal in der 12. Klasse (sowjetische Geschichte als Teil der Weltgeschichte ohne expliziten Bezug auf Georgien) unterrichtet. Für jede Klassenstufe gibt es zwei oder drei alternative Schulbücher. Das Lehrbuch wird von der jeweiligen Schule ausgewählt und für drei Jahre im Unterricht eingesetzt. So sind etwa für die 9. Klasse drei verschiedene Geschichtslehrbücher verfügbar.
In der ersten Generation der georgischen Schulbücher lassen sich mehrere dominante Erzählstränge erkennen. Dies lässt sich am Beispiel von Paranaos Lomaschwili: Geschichte Georgiens 1918–1985 illustrieren. Zum einen wird der sowjetische Sozialismus in Abgrenzung vom georgischen Sozialismus als undemokratisch, antinational und uneuropäisch beschrieben. Im Gegensatz dazu sei der georgische Sozialismus, den die georgischen Menschewiki 1918–1921 mit friedlichen Mitteln umzusetzen versuchten, international anerkannt und respektiert gewesen. Er wird als demokratisch, wirtschaftlich effizient und eng mit der europäischliberalen Tradition verbunden charakterisiert. So heißt es bei Lomaschwili:
Wie sich erkennen lässt, strebten die georgischen Menschewiki nach dem sogenannten demokratischen Sozialismus, den fast alle Parteien der Internationale anerkannten. Daher war es nicht verwunderlich, dass das politische Programm der georgischen Menschewiki bei den Führern des Internationalismus (Kautsky, Vandervelde, Huysmans) großen Anklang fand. Sowohl während ihres Aufenthaltes in Georgien als auch in Europa betonten sie mehrfach, dass die Tätigkeit der georgischen Menschewiki allen sozialdemokratischen Parteien weltweit als Vorbild dienen müsse.
Der sowjetische Sozialismus ist demnach kein echter Sozialismus, sondern in erster Linie eine Fortsetzung der russischen Fremdherrschaft.
Zweitens präsentiert Lomaschwili Argumente, wonach die Georgier sehr wohl in der Lage gewesen seien, einen eigenen handlungsfähigen Staat nach westlichem Vorbild zu gründen. Das verbreitete Bild Georgiens als fragiler Staat wird hier durch historische Belege konterkariert – der Bezug zur Gegenwart und Zukunft des Landes ist offensichtlich. Die sowjetische Ordnung dagegen wird bei allen epochenabhängigen Unterschieden im Grad der Grausamkeit und Strenge stets als Fremdherrschaft gezeichnet, die auf die Vernichtung der georgischen Nation zielte:
Am 25. Februar 1921 verlor Georgien seine staatliche Unabhängigkeit und Souveränität, die es im Jahr 1912 errungen hatte. Es wurde wieder zu einem Teil des russischen Imperiums. Erneut musste das georgische Volk den Kampf um nationale Staatlichkeit aufnehmen und sich von den fremden Eroberern befreien.
Den totalitären Charakter des sowjetischen Sozialismus illustriert Lomaschwili durch Beispiele politischer Repressionen: die Verhaftung und Deportation georgischer Intel-lektueller in den 1920–30er Jahren, die Niederschlagung der Demonstrationen in Tbilisi 1956 sowie 1978, als die sowjetische Führung der georgischen Sprache den Status als Staatssprache absprach. Auch die Russifizierungspolitik und der wachsende ideologische Druck auf Wissenschaft und Kultur stellte nach Lomaschwili eine Bedrohung für das Nationalbewusstein der Georgier dar.
[…] in der Amtszeit von Brežnev und seinen Nachfolgern […] entstand eine Doktrin über die geeinten sowjetischen Völker und deren einheitliche Kultur und über den direkten Übergang von der sozialistischen Nationalkultur zur internationalen, kommunistischen Kultur. All dies behinderte die Entwicklung der georgischen Nationalkultur.
Der sowjetische Sozialismus, der dafür eingetreten sei, Arbeiter und Bauern zu befreien und günstige Bedingungen für ihre Entfaltung zu schaffen, hat versagt.
Dennoch finden sich in der Darstellung Passagen, die sich in die zentralen Argumentationsmuster nur schwer integrieren lassen:
Gleich zu Beginn des Krieges wurden Vorteile sichtbar, wie sie für totalitäre Staaten im Ausnahmezustand charakteristisch sind. Die Kraft, die es der Sowjetunion ermöglichte, ihre Ressourcen optimal zu mobilisieren, war ausgerechnet der Totalitarismus. […] Ein einziger Mensch verfügte über die gesamte politische Macht und kontrollierte sämtliche materiellen und geistigen Kräfte. Unter Kriegsbedingungen wirkte sich dies positiv aus, denn dadurch wurde vieles möglich – etwa die Verlegung von 1563 Maschinenbaufabriken vom Westen in den Osten des Landes im November 1941.
Auf diese Weise ergibt sich eine innere Spannung zwischen positiven und negativen Bewertungen des Totalitarismus. Diese Spannung spitzt sich dadurch weiter zu, dass die gesamte sowjetische Geschichte in zwei Akte aufgeteilt wird:
Trotz interner Widerstände war die erste Periode des Sozialismus (1917–1953) eine des Aufbaus und der Entwicklung. In dieser Periode wurde die eigenständige Gesellschaftsordnung des Sozialismus geschaffen und gefestigt. Die zweite Periode dieses Regimes, die ab Mitte der 1950er Jahre einsetzte, ist dagegen durch interne Auflösungserscheinungen und Niedergang gekennzeichnet.
Diese merkwürdige Periodisierung orientiert sich an der organischen Metapher von Aufstieg und Niedergang. Im ersten Akt, der die Zeit von der Sowjetisierung Georgiens 1921 bis zum Tod Stalins 1953 umfasst, dominiert in Lomaschwilis Darstellung die Konsolidierung der staatlichen Ordnung. Der zweite Akt, der die gesamte poststalinistische Periode von Chruščev bis Brežnev umfasst, wird dagegen als eine Zeit der Auflösung konstruiert. Der Erfolg des Sozialismus lässt sich nach dieser Logik an der Etablierung einer Ordnungsgewalt bemessen. Die sowjetische Ordnung unter Stalin war mithin zwar grausam und totalitär, aber immerhin effektiv. Im zweiten Akt lässt die totalitäre Staatskontrolle nach, was zum Zerfall dieser Ordnung führt. Dass dem Sowjetsystem als Ordnungsgewalt unter Stalin in Georgien immerhin ein gewisser Erfolg zugesprochen wird, bestätigt sich auch in Lomaschwilis extrem negativer Darstellung der Chruščev- und Brežnev-Ära, in der die sowjetische Ordnung zunehmend vom Chaos verdrängt worden sei.
Im zweiten Teil seiner Erzählung richtet sich der Fokus hauptsächlich auf die Handlungsunfähigkeit und das Scheitern der Herrschaftseliten. Chruščev hielt zwar an der für das Sowjetsystem üblichen Alleinherrschaft fest, verlor jedoch den Kontakt zur Realität. Er erkannte nicht, was im Land vorging. Er ließ sich von manipulierten Statistiken und Wirtschaftsplänen blenden und verlor die Kontrolle über Wirtschaft und Politik. Brežnev blieb der sowjetischen Logik aus Selbstherrlichkeit und Selbsttäuschung im politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Bereich treu. Er versuchte zwar, durch wirtschaftliche und landwirtschaftlichen Reformen („Kossiginreform“) die Leistungsfähigkeit des sozialistischen Systems zu erhöhen, konnte aber nur kurzfristige Erfolge verbuchen und scheiterte letztlich. Die in dieser Ära blühende Korruption und Schattenwirtschaft trugen das Ihre zum Verfall des sowjetischen Systems bei.
Die Stärke des sowjetischen Sozialismus beruhte in Lomaschwilis Sicht also auf der totalen Kontrolle aller Lebensbereiche. Sobald die staatliche Überwachung nachließ, geriet das ganze System ins Wanken. Die Frage, wer eigentlich von der Systemschwäche und Korruption profitierte, bleibt allerdings ungeklärt. Er differenziert nicht zwischen den verschiedenen sozialen Schichten, sondern geht von einem homogenen Gesellschaftsbild aus. Tatsächlich ist anzunehmen, dass ein Teil der Mitglieder der georgischen Gesellschaft der Schattenökonomie und den damit verbundenen Nebeneinkünften einen relativ hohen Lebensstandard verdankten. Diese Kräfte waren es, die die Staatsmacht schwächten und zugleich von der Schwächung der zentralstaatlichen Kontrolle profitierten.
Grundsätzlich enthält diese Darstellung also einen Widerspruch, der die gesamte Deutung der sowjetischen Epoche durchzieht: Einerseits behauptet sie, das sowjetische System habe auf die Vernichtung der georgischen Nation und die Verankerung sowjetischer Werte und Normen in der Gesellschaft abgezielt und sei wegen seiner Ineffizienz von Anfang an zum Scheitern verurteilt gewesen. Andererseits konstatiert sie parallel zum Systemverfall eine Aufwertung der nationalen Werte: Die georgische Wissenschaft, Historiographie, Literatur, Musik, Theaterkunst und Kinematographie erlebten in den 1960er bis 1980er Jahren einen ungeheuren Aufschwung. Den georgischen Wissenschaftlern, Schriftstellern und Künstlern sei es gelungen, sich neben der vorgeschriebenen Thematik des sozialistischen Realismus auch auf die nationalen Werte zu besinnen, was letztlich in die Entstehung einer Unabhängigkeitsbewegung mündete:
Zusammenfassend hat sich die georgische Kultur trotz des Kommunismus und des negativen Einflusses der Sowjetführung weiterentwickelt. Dies trug zur Herausbildung des Nationalbewusstseins des georgischen Volkes und zur Entwicklung der nationalen Befreiungsbewegung bei.
Ungeachtet aller Bemühungen der heutigen Bildungseliten, eine kohärente und privilegierte Version der sowjetischen Vergangenheit zu konstruieren, zeigt die Analyse dieses Schulbuchs also, dass sich auch in den offiziellen Narrativen Ambivalenzen und widersprüchliche Lesarten finden.
Die neuen Schulbücher
In den neuen Geschichtsbüchern kehren die bereits in den ersten Lehrwerken dominierenden Topoi wieder, allerdings sind die Formen der Darstellung nun stärker an den globalen, westlichen Diskurs angepasst. Auch Nata Achmeteli und Dawit Lortkipanidse erzählen ihre Geschichte Georgiens aus dem Jahr 2008 in zwei Akten: Etablierung einer fremden Ordnungsmacht und Widerstandsgeschichte. Die Autoren halten sich mit Werturteilen sehr zurück. Kontroverse Sachverhalte oder brisante Ereignisse werden mit Hilfe verschiedener Arten von Quellen – Auszügen aus Zeitschriften, Zeitungen, Archiven, Internet, Büchern, Biographien und Interviews – wiedergegeben.
Im ersten Akt wird das Vorgehen des sowjetischen Regimes detailliert beschrieben. Zentrale Stichworte sind die Errichtung einer fremden Ordnungsmacht, deren Fremdheit und Ineffizienz.
Die Okkupationsführung Russlands begann schon am ersten Tag mit Massenrepressionen in Georgien. Bekannte Politiker oder Angehörige des Militärs der georgischen demokratischen Republik wurden reihenweise verhaftet. Die politische Führung Sowjetrusslands strebte nach einer Legitimierung des Okkupationsregimes in Georgien.
Die von der sowjetischen Führung vorangetriebene Politik der Kollektivierung, Industrialisierung und Russifizierung wird negativ dargestellt: Kollektivierung und Industrialisierung führten zu sozialen Verwerfungen auf dem Land und in der Stadt; die kulturelle Revolution sollte das neue sowjetische Wertesystem etablieren und alles Nationale bekämpfen. Auszugsweise zitieren die Autoren hierzu aus einem sowjetischen Lehrbuch:
Die wichtigsten Themen der georgischen sowjetischen Prosa sind: die Entstehung eines neuen Menschenbildes, einer neuen Wirklichkeit; die Ausmerzung des alten Daseins und der Aufbau eines neuen Lebens; und die enormen Veränderungen, die all das in der Psyche der Menschen bewirkt.
Das Konzept der Fremdherrschaft durchzieht die ganze Erzählung. Gegenüber der Stalinära ist diese Fremdherrschaft in der Chruščev- und Brežnev-Zeit etwas abgeschwächt, aber die gewaltsame Niederschlagung der Demonstrationen in Tbilisi durch die Sowjetführung 1956 und 1989 wird stark akzentuiert. Laut Achmeteli und Lortkipanidse ließ sich das sowjetische System weder liberalisieren noch demokratisieren, es stellte vielmehr selbst die Quelle allen Unheils dar. Darauf deutet eine am Ende des 126. Kapitels an die Schüler gestellte Frage hin:
Was meinen Sie, worin zeigte sich der neue politische Kurs der sowjetischen Führung? Kam es dadurch in der Sowjetunion wirklich zu einem „Tauwetter?“ Konnte der neue politische Kurs die sowjetische Ordnung nach Ihrer Meinung wesentlich verändern?
In dieser Frage ist die Antwort bereits mitenthalten – sie lautet „Nein“.
Im zweiten, „Widerstandsgeschichten“ überschriebenen Teil gibt es mehrere Erzählstränge: Es geht um die Opfer der Gewaltherrschaft, die Georgier als Freiheitskämpfer, die Fähigkeit der Georgier, einen handlungsfähigen Staat zu bilden, und schließlich die gespaltene Gesellschaft. Die gesamte Geschichte des Widerstands wird durch die Ereignisse von 1924, 1956, 1978 und 1989 gebündelt und zu einem Kontinuum geformt, das als roter Faden die ganze Erzählung durchzieht. All diese Jahreszahlen markieren bedeutsame Momente für die georgische Gesellschaft: Der Aufstand der Georgier 1924 gegen die bolschewistische Führung, die Demonstration in Tbilisi 1956, die Demonstration georgischer Studenten gegen die Aufhebung des Status der georgischen Sprache als Staatssprache 1978 und schließlich die Tragödie vom 9. April 1989. Diese Ereignisse stehen für den unablässigen Kampf der Georgier gegen die „bösen Sowjets“.
Im Mittelpunkt der Widerstandsgeschichte stehen die Motive der Georgier als Opfer und der Georgier als Freiheitskämpfer, der Kampf einer kleinen Nation gegen eine übermächtige Fremdherrschaft:
Das kleine Georgien, das nicht einmal über die nötigsten Kampfmittel verfügte, das isoliert und ohne Verbündete war und von nirgendwo Hilfe erwarten konnte, hatte keine Kraft mehr, gegen das riesige Russland dauerhaft Widerstand zu leisten.
Die Widerstandsgeschichte hat zwei typische Akteure: „Wir“ und „die anderen“. Mit „wir“ sind die Georgier gemeint, „die anderen“ sind die „Sowjetführung“, die „sowjetische Regierung“ oder die „sowjetischen Machthaber“. Diesen „anderen“ werden fast ausschließlich gewaltsame Aktionen zugeschrieben, „wir“ dagegen „mussten leiden und wurden unterdrückt“. Trotz dieser Zuschreibung betont das Geschichtsbuch aber, die Georgier seien selbst in der Lage gewesen, einen handlungsfähigen, global anerkannten und sich auf demokratische Prinzipien stützenden Staat zu gründen:
Am 26. Mai 1918 verabschiedete der georgische Nationalrat unter Vorsitz von Noe Jordania seine Unabhängigkeitserklärung und ernannte die erste Regierung der demokratischen Republik Georgien. Durch diesen Akt stellte Georgien die im Laufe der Jahrhunderte verlorene Unabhängigkeit wieder her.
Diese Topoi, die in sämtlichen postsowjetischen georgischen Geschichtsbüchern wiederkehren, sollen einerseits den Nationalstolz stärken und zugleich Georgiens natürliche Zugehörigkeit zur europäischen Völkerfamilie betonen. Denn „wir“ waren bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts tatkräftig genug, eine moderne Staatsorganisation mit Gewaltenteilung und demokratischer Verfassung zu schaffen. Andererseits kann man darin einen georgischen Vorwurf an Europa nach dem Motto erkennen: „Wir haben einen auf demokratischen Prinzipien beruhenden Staat gegründet, somit europäische Anforderungen erfüllt, aber ihr Europäer habt uns im Kampf gegen die fremde und rückständige bolschewistisch-sowjetische Ordnungsmacht im Stich gelassen.“
Die durch den Willen des georgischen Volkes etablierte demokratischrepublikanische Ordnung wurde nicht durch einen internen Mehrheitsbeschluss, sondern durch eine äußere, fremde Gewalt bzw. die sowjetisch-russische Ordnungsgewalt abgesetzt. Das georgische Volk kämpfte zusammen mit seiner Regierung gegen den Feind und gab erst dann nach, als alle Möglichkeiten des Widerstands ausgeschöpft waren.
Im Verhältnis zu diesen eng miteinander verbundenen Erzählsträngen steht das Thema der gespalteten Gesellschaft etwas abseits. In der kohärenten Widerstandserzählung markiert dieses Thema eine Bruchlinie. Die Gespaltenheit der georgischen Gesellschaft scheint an mehreren Stellen im Text auf, etwa in dem Hinweis darauf, dass Georgier im Zweiten Weltkrieg auf zwei Seiten der Front kämpften – auf der sowjetischen und der deutschen Seite. Betont wird auch, dass sich Georgier auf Seiten der sowjetischen Macht gegen ihr eigenes Land gestellt und so zum Verlust der Unabhängigkeit beigetragen hatten. Diese Personen werden im Schulbuch, in dem ansonsten kollektive Akteure dominieren, namentlich genannt und nicht dem georgischen „wir“, sondern den „anderen“ zugeschlagen. Immerhin wird die gesellschaftliche Spaltung dadurch unübersehbar:
Pilipe Macharadse, Mamia Orchelaschwili, Budu Mdiwani, Schalwa Eliawa, Mischa Okudshava, Lado Dumbadse, Omar Nazaretiani, Alexander Gegečkori und Kwirkwelia, hier meine Herren, diese Georgier […] der Wunsch dieser Leute, die den Feind anführen, ist es, das georgische Volk und die georgische Armee mit Feuer und Flamme auszumerzen und zu Tyrannen Georgiens zu werden. Das georgische Volk wird das niemals dulden. Nie wird das georgische Volk diese Schande auf sich nehmen […] Ich sage, wenn das georgische Volk sieht, welche Leute es zu vernichten versuchen, dann wird es das in seiner geistigen Haltung so stärken, dass es sagen wird: Freiheit oder Tod.
Von der Spaltung der georgischen Gesellschaft in den Tagen der Sowjetisierung 1921 wird implizit ein Bogen zum Chaos und der Anarchie, zur Spaltung zwischen Anhängern und Gegnern der Gamsachurdia-Regierung geschlagen, die die 1990er Jahre prägten. Die Bewertung dieser Ereignisse, die in der Gesellschaft offensichtlich noch nicht aufgearbeitet sind und einiges Konfliktpotential enthalten, überlassen die Schulbuchautoren den Lehrenden und Lernenden:
Aufgabe an die Schüler: „Die durch freie Wahlen gewählte Regierung [von Präsident Gamsachurdia] hat Georgien verlassen. Heute wird dieses Ereignis unterschiedlich bewertet. Manche nennen es einen „Bürgerkrieg“, manche einen „Militärputsch“. Die Zeitzeugen, die diese Ereignisse miterlebt, gesehen und erlitten haben, leben noch. Führen Sie bitte Interviews mit ihnen. Recherchieren Sie in Zeitungen, Zeitschriften und im Internet und veranstalten Sie eine Diskussion „Die Bewertung der Ereignisse von 1991–1992.
Die Geschichte Georgiens von Achmeteli und Lortkipanidse enthält eine Reihe von Widersprüchen und Ambivalenzen, die sich nicht in ein einheitliches Narrativ integrieren lassen. Ein prominentes Beispiel ist das zwiespältige Bild, das von der Schewardnadse-Ära in der Sowjetzeit gezeichnet wird. Schewardnadse verkörpert selbst durch seine doppelte Funktion die gespaltene Gesellschaft. Er erscheint gleichzeitig als Bekämpfer und als Quelle der Korruption, als Vertreter der sowjetischen Führung und als Friedensstifter, der auf der Seite seines Volkes steht und zwischen der Zentralführung und georgischen Demonstranten zu vermitteln versucht. Letztlich spiegelt sich in dieser Darstellung die Doppelmoral der georgischen Parteiintelligenzija. Ähnliche Widersprüche und Ambivalenzen finden sich in den Schulbüchern auf Schritt und Tritt, etwa bei der Bewertung der Rolle Stalins für Georgien.
Fazit
In den georgischen Geschichtsbüchern schlägt sich das Bemühen der Transformati-onsgesellschaft nieder, die gemeinsame Vergangenheit aufzuarbeiten und eine offizielle, kollektive Geschichte zu entwickeln, die bedeutsame Momente thematisiert und einen Rahmen für individuelle Erinnerungen bietet. Gleichzeitig zeigen die in ihnen enthaltenen Divergenzen und Kontroversen, dass es in der kollektiven Geschichte und im kollektiven Gedächtnis unterschiedliche gesellschaftliche Dispositionen gibt. Das Schulbuch präsentiert keine eindimensionale und damit potentiell polarisierende Geschichte von Fremdherrschaft und Widerstand, sondern artikuliert durchaus – wenn auch eher implizit und indirekt – die in der Gesellschaft und in den Elitendiskursen vorhandenen Brüche und Widersprüche. An einem entscheidenden Punkt weichen die Schulbucherzählungen deutlich von den Diskursen der Eliten ab: Während insbesondere staatliche Eliten angesichts der gespannten Beziehungen mit Russland jede Verbindung zum Sowjetsystem leugnen, thematisieren die neueren Schulbücher ansatzweise, dass auch Georgier mit diesem System kooperierten. Gerade in der Auseinandersetzung mit schwierigen historischen Ereignissen wie der prostalinistischen, aber antisowjetischen Demonstration 1956 zeigt sich in den Schulbüchern eine gewisse Verunsicherung. Hier werden mehr Fragen aufgeworfen als Antworten gegeben. Im Ganzen dominiert ein sehr vorsichtiger Tonfall. Die Deutung der sowjetischen Vergangenheit ist im kulturellen Gedächtnis der georgischen Gesellschaft noch im Fluss. An ihren Geschichtsbüchern lässt sich dies ablesen.
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