Angriff auf das historische Erbe
Russland attackiert ukrainische Archive
Abstract in English
Abstract
Russlands Krieg richtet sich auch gegen das historische Gedächtnis der Ukraine. Die Vielzahl der Angriffe auf Baudenkmäler, Kultureinrichtungen und Archive legt nahe, dass es sich dabei nicht um sogenannte Kollateralschäden handelt. Sie treffen Säulen des ukrainischen Nationalbewusstseins. Im Gebiet Charkiv wurde das Hryhorij-Skovoroda-Literaturmuseum zerstört, nahe Buča ging das Archiv der Čornovol-Stiftung in Flammen auf. In Černihiv traf es das Regionalarchiv des Geheimdienstes SBU mit historischen Beständen des NKVD und KGB. Dort lagen Akten von Tätern und Opfern des stalinistischen Terrors. Die Zerstörung eines solchen Archivs wiegt umso schwerer, als die Ukraine durch eine liberale, offene Archivpolitik die wissenschaftliche Erforschung der sowjetischen und ukrainischen Geschichte sowie der deutschen Besatzungsgeschichte ermöglichte. Russlands Raketen und Granaten ist das historische Gedächtnis der Ukraine weitgehend schutzlos ausgeliefert.
(Osteuropa 6-8/2022, S. 201–210)