Titelbild Osteuropa 12/2020

Aus Osteuropa 12/2020

Psychopathologie des Totalitarismus
Andrej Platonovs Mazedonischer Offizier und Der Müllwind

Hans Günther


Abstract in English

Abstract

Seine Kurzprosa der Jahre 1933–1934 gehört zum radikalsten, was Andrej Platonov verfasst hat. Im Zentrum dieser Texte steht die Psychopathologie totalitärer Herrschaft. Die orientalische Despotie, die in Der mazedonische Offizier geschildert wird, wirkt mit ihrem psychotischen Herrscher und den masochistischen Unterwerfungsritualen seiner Untertanen wie eine verfremdete Darstellung der Sowjetunion unter Stalin. Der Müllwind dagegen spielt in einem entmenschlichten NS-Deutschland, in dem der Protagonist, ein kritischer Wissenschaftler, nur untergehen kann. Gemeinsam ist beiden Systemen die Unterdrückung jedes eigenständigen Gedankens. Dass die Erzählungen erst in den späten 1980er Jahren erscheinen konnten, liegt aber nicht nur an ihrem politischen Gehalt, sondern auch an ihrer Drastik und Grausamkeit.

(Osteuropa 12/2020, S. 165–178)