Revolutionsepik, Erlösungsfolklore und literarische Dekonstruktion der Utopie
Notizen zu Andrej Platonovs Roman Čevengur
Abstract in English
Abstract
In seinem Roman Čevengur lotet Andrej Platonov die Krise der revolutionären Erwartung aus. Er tritt den Revolutionären zur Seite, um ihre exzentrische Lebenswelt und unzensierte Sprache vor den Übergriffen „fortschrittlicher“ Geschichtsphilosophie zu schützen. Im Halbschatten von Dialog und erlebter Rede problematisiert er zugleich die revolutionäre Gewalt und dogmatische Formen der Utopie. Čevengur konfrontiert den Großen Morgen mit den Legenden über Alexander den Großen und seine Welteroberungspläne: Die Figuren des Romans agieren auf der Folie mittelalterlicher Endzeiterzählungen über die Hybris der Weltherrscher. Ebenfalls aus den Alexander-Legenden gewinnt Platonov ein episches Modell, das sich gegen die Krise der Romanform nach 1917 behaupten kann. Platonovs Bezug zur mittelasiatischen Alexander-Folklore erklärt zuletzt auch den Romantitel Čevengur.
(Osteuropa 5/2017, S. 153169)