Titelbild Osteuropa 8-10/2016

Aus Osteuropa 8-10/2016

Unzeitgemäß und eigensinnig
Andrej Platonovs Blick auf Zentralasien

Anne Hartmann


Abstract in English

Abstract

1934 reiste Andrej Platonov mit einer Schriftstellerbrigade nach Turkmenistan. Aufgabe der Brigade war es, die Erfolge des sozialistischen Aufbaus in Turkmenistan zu verherrlichen. Seine Erfahrungen in Zentralasien verarbeitete Platonov in der Erzählung Takyr sowie im Kurzroman Das Volk Dshan. Obwohl er möglicherweise versuchte, dem Sozialistischen Realismus gerecht zu werden und konformistischer zu schreiben als in seinen zuvor inkriminierten Werken, markieren Platonovs Turkmenistan-Erzählungen den Höhepunkt seiner radikalen Ablösung von den literarischen und ideologischen Konventionen. Weder teilt er das kommunistische Menschenbild noch die Klage über die historische Rückständigkeit und Fremdheit der Asiaten, noch die teleologische Fortschrittsgewissheit, zu der die Unterwerfung und Umgestaltung der Natur gehört. Auch an der melancholisch-pessimistischen Grundstimmung der Werke und der Betonung des menschlichen Leidens zeigt sich, dass Platonov gemessen an den ästhetischen und politischen Vorgaben des Hochstalinismus kein sowjetischer, sondern ein höchst eigensinniger Autor war.

(Osteuropa 8-10/2016, S. 165–193)