Zivilgesellschaft
Ein schwieriges Erbe aus Ostmitteleuropa
Abstract
Ausgehend vom Selbstverständnis der Dissidenten- und Oppositionsgruppen im kommunistisch beherrschten Ostmitteleuropa rückte der lange vergessene Begriff der „civil society“ ins Zentrum der Demokratietheorie. Bereits in den Debatten der Opposition schwankte der Begriff zwischen einem Synonym für die intakten Werte vorpolitischer Lebenswelten, einer politischen Strategie zur Bildung gesellschaftlicher Gegenmacht und den Hoffnungen auf eine marktwirtschaftliche Liberalisierung des Regimes. Während diese konzeptionellen Unklarheiten eher begünstigten, daß der Begriff 1989 zum Fokus gesellschaftlicher Gegenidentität werden konnte, verlor er in den postkommunistischen Auseinandersetzungen bald seine Orientierungsfunktion. Dagegen wurde er zu einem normativen Leitbegriff in den Debatten zur Reform westlicher Demokratien. Dabei steht er sowohl für die Erweiterung der politischen Handlungsmöglichkeiten der Bürger als auch für Entstaatlichung und Deregulierung zugunsten des Marktes.
(Osteuropa 5-6/2004, S. 196215)