Titelbild Osteuropa 1/2004

Aus Osteuropa 1/2004

Nostalgische Rückblenden ohne Aufarbeitung der Geschichte
Polnische Prosa nach 1990

Wolfgang Schlott

Abstract

Die wiedervereinigte polnische Nationalliteratur thematisiert seit 1990 einen Wert- und Geschichtsverlust und sucht nach einer neuen Identität. Die Erzählliteratur wies die ethischen Positionen des „antisozialistischen“ Realismus, der sich mit der kommunistischen Vergangenheit auseinandergesetzt hatte, zurück und bemühte sich um experimentelle Verfahren. Erst seit Mitte der 1990er Jahre zeichnet sich eine vielschichtige Rückkehr zur polnischen und europäischen Geschichte ab. Die Generation der nach 1960 Geborenen widmet sich tabuisierten Themen der polnischen Zeitgeschichte sowie zuvor wenig behandelten Topoi wie Konfrontation und Verschmelzung der Kulturen oder feministischen Lebensmodellen. Seit dem Ende der 1990er Jahre werden postmoderne Verfahren durch biographisch untermauerte und dokumentarisch belegte Texte abgelöst. Dennoch mangelt es weiterhin an Werken, in denen die Nachkriegsgesellschaft generationenübergreifend erfaßt wird.

(Osteuropa 1/2004, S. 75–89)