Titelbild Osteuropa 1/2004

Aus Osteuropa 1/2004

„Existenzbeweise“
Erinnerung und Trauma nach dem Holocaust bei Henryk Grynberg, Wilhelm Dichter und Hanna Krall

Anja Tippner

Abstract

Die Vernichtung der europäischen Juden ist eines der zentralen Themen der polnischen Nachkriegsliteratur. Das Diktum, es sei barbarisch, nach Auschwitz Gedichte zu schreiben, ist einer Auseinandersetzung über die Grenzen der Darstellung gewichen. Polnisch-jüdische Überlebende des Holocaust wie Henryk Grynberg schreiben autobiographische Prosa an der Grenze von Realität und Fiktion, um das Unvorstellbare ins Vorstellbare zu rücken. Henryk Grynberg, Hanna Krall und Wilhelm Dichter, die die Shoah als Kinder überlebten, setzen sich mit den traumatischen Auswirkungen des unmittelbar Erlebten, dem häufig körperlichen Erinnern daran – und dem Verdrängen der Erinnerung in der Nachkriegszeit – auseinander. Diese Zeugenberichte, die in der Tradition der jüdischen Testimonialliteratur stehen, leihen ihre Stimme auch anderen Opfern und schreiben so gegen das Verdrängen und das Vergessen auch nur einer einzelnen Person an.

(Osteuropa 1/2004, S. 57–74)