Staatlichkeitskult im Pseudo-Staat
Nationales Identitätsmanagement durch Geschichtspolitik in Transnistrien
Abstract
Stützpfeiler des Staatlichkeitsstrebens der gesellschaftlichen Akteure in der 1990 proklamierten Transnistrischen Moldauischen Republik im Ostteil der Republik Moldau sind eine auf Besitzstandswahrung bedachte Regionalelite, das wirtschaftliche Potential dieser hochindustrialisierten Region sowie mit politischer Unterstützung Moskaus erworbene militärische Machtmittel. Hinzu kommt die normative Kraft des faktischen Bestehens der abtrünnigen Republik samt neuen regionalbezogenen Identifikationsprozessen. Seit Mitte der 1990er Jahre gewinnt eine weitere Säule an Bedeutung: regionalistisches Identitätsmanagement mittels einer auf Schaffung eines „transnistrischen Volkes“ zielenden Geschichtspolitik. Zentrale Komponenten sind eine sowjetisch inspirierte staatliche Symbolsprache, ein geopolitisch, historisch, sprachlich, kulturell und zunehmend auch religiös unterfüttertes „großrussisches“ mental mapping, ein von Berufshistorikern maßgeschneidertes regionalisiertes Geschichtsbild, eine auf die „heroischen“ Anfangsjahre bezogene Erinnerungspolitik sowie ein Personenkult um Präsident Igor’ N. Smirnov. Demoskopische Daten und Wahlergebnisse deuten darauf hin, daß der aufwendige Staatlichkeitskult nicht ohne Wirkung ist.
(Osteuropa 7/2003, S. 963983)