Kein Verbot der russischen Menschenrechtsorganisation „Memorial“!
Köln, den 12.11.2021
Die Menschenrechtsorganisation „Memorial“ soll in Russland offenbar verboten
werden. Laut russischer Justiz wird das oberste Gericht am 25.11. über
einen sogenannten „Liquidierungsantrag“ der Generalstaatsanwaltschaft
entscheiden. Ein Verbot wäre ein harter Schlag gegen eine der letzten
demokratischen und vom russischen Staat unabhängigen kritischen
Organisationen.
Memorial, zu deren Gründer vor über 30 Jahren auch der berühmte russische
Menschenrechtler Andrei Sacharow gehörte, verkörpert nach wie vor unbeirrbar
das kritische historische Gedächtnis der Repression in der Sowjetunion und
im heutigen Russland. Seit Jahrzehnten klärt sie auf über das System des Gulag
und das Schicksal hunderttausender Häftlinge, der Ermordeten wie der
Überlebenden. Zu den letzteren gehörte der später aus der Sowjetunion
zwangsausgebürgerte Menschenrechtler Lew Kopelew. Memorial widersetzt sich
mutig der heute auch von staatlicher Seite wieder betriebene Glorifizierung
Stalins und untersucht statt dessen die von Stalin und seinem Repressionsapparat
begangenen Massenmorde. Das und der konsequente Einsatz für Demokratie
und Menschenrechte ist der russischen Führung ganz offenbar ein Dorn im Auge.
Von staatlichen Organen wird „Memorial“ seit Jahren angegriffen und als
„ausländischer Agent“ diskreditiert. Ein entsprechendes Gesetz zwingt
„Memorial“ sogar dazu, sich selbst so zu bezeichnen. Das soll dazu dienen
die Organisation in den Augen der russischen Bevölkerung herabzusetzen und
zu diskreditieren. Dagegen protestiert das nach dem Tod des russischen
Menschenrechtlers Lew Kopelew gegründete und in Köln beheimatete Forum
und erklärt sich mit „Memorial“ solidarisch. Lew Kopelew hatte seinerzeit
die Gründung von Memorial nachhaltig begrüßt und wurde zum Ehrenmitglied
berufen.
„Memorial“ wurde neben anderen Auszeichnungen 2002 mit dem
„Lew-Kopelew-Preis für Frieden und Menschenrechte“ und 2009 mit dem
„Sacharow Preis für geistige Freiheit“ des Europäischen Parlaments bedacht.
Für das Lew Kopelew Forum
Thomas Roth, Vorsitzender des Lew Kopelew Forums und
ehemaliger Moderator der ARD Tagesthemen