Russlands Geisel
Die militärische Einkreisung der Ukraine und das Völkerrecht
Otto Luchterhandt, 16.2.2022
Russland hat um die Ukraine über 130 000 Soldaten, ausgestattet mit modernstem Kriegsgerät, zusammengezogen. Es handelt sich um eine kriegsbereite Invasionsarmee. Dieser Aufmarsch ist ein seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges präzedenzloser Vorgang in Europa. Die militärische Einkreisung der Ukraine stellt eine Androhung von Gewalt im Sinne von Art. 2 Nr. 4 der UNO-Charta und einen ernsten Völkerrechtsbruch dar. Zweck der Gewaltandrohung ist es, die USA und die NATO zu veranlassen, Verträge abzuschließen, mit denen Russland seine Macht- und Sicherheitsinteressen im postsowjetischen Raum durchsetzen will. Durch die Androhung, Krieg gegen die Ukraine zu führen, wenn der Westen die vorgeschlagenen Verträge nicht abschließt, hat Russland die Ukraine zur Geisel gemacht. Gleichzeitig zielt die militärische Einkreisung darauf, die Hegemonie Moskaus über Kiew als Zwischenschritt zur Wiederherstellung eines Russländischen Imperiums zu erlangen.
Wir erleben weltgeschichtlich herausragende Tage. Die von Russland, von Präsident Vladimir Putin persönlich, herbeigeführte Krise spitzt sich zu und treibt ihrem Höhepunkt entgegen. Der von Russland seit dem Frühjahr 2014 auf der Krim und im Donbass gegen die Ukraine geführte „hybride Krieg“ wird, wenn Präsident Putin als Oberbefehlshaber der Streitkräfte Russlands den Befehl zum Angriff und zur Invasion der Republik Ukraine gibt, in einen heißen Krieg übergehen. Die aus militärischer Sicht dafür erforderlichen „technischen“ Voraussetzungen sind geschaffen worden, die nötigen Vorbereitungen abgeschlossen. Gibt Präsident Putin den Befehl, wird es in Europa mitten im Frieden des Kontinents erstmals seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und ihres Imperiums vor 30 Jahren, einen Krieg zwischen zwei großen Mitgliedstaaten des Europarates geben. Beide haben mit ihrem Beitritt und ihrer Unterschrift – die Ukraine 1995, Russland 1996 – folgende Sätze der Präambel des Statuts bekräftigt:
„[sie] sind überzeugt, dass die Festigung des Friedens auf der Grundlage der Gerechtigkeit und internationalen Zusammenarbeit für die Erhaltung der menschlichen Gesellschaft und der Zivilisation von lebenswichtiger Bedeutung ist;“
„[sie] bestätigen ihre unerschütterliche Verbundenheit mit den geistigen und sittlichen Werten, die das gemeinsame Erbe ihrer Völker und von jeher die Quelle für Freiheit der Einzelperson, politische Freiheit und Herrschaft des Rechts sind, jene Prinzipien, welche die Grundlage jeder wahren Demokratie bilden;“
„[sie] glauben, dass für den Schutz und die weitere Verwirklichung dieser Ideale sowie zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts ein engerer Zusammenschluss aller gleichgesinnten Völker Europas notwendig ist.“
Russland hat unter Präsident Putin im Zuge der schrittweise vollzogenen Errichtung einer menschenrechtsfeindlichen Autokratie und Diktatur diesen fundamentalen Konsens „aller gleichgesinnten Völker Europas“ aufgekündigt. Vom „Geist“, der zur Gründung des Europarates führte und den die Präambel bis zum heutigen Tag atmet, hat sich Vladimir Putin zu keinem Zeitpunkt anstecken lassen, ebenso wenig von dem Geist der bis heute unveränderten „Grundlagen“ der 1993 erlassenen Verfassung Russlands, die zwar mit den Grundlagen des Europarates vollkommen übereinstimmen, von denen sich aber das Putin-Regime seit der Verfassungsrevision von 2020 weit entfernt hat.[1] Wenn Russland unter Präsident Putin heute konsequent wäre, müsste es seinen Austritt aus dem Europarat erklären. Das aber lehnt der Kreml ab und zeigt damit eine Inkonsequenz, die Präsident Putin ebenso im Umgang mit der Verfassung Russlands an den Tag legt: Bei der Verfassungsrevision von 2020 ließ der Kreml aus unüberwindlichen Verfahrensgründen die Kapitel über die Grundlagen und die Grund- und Menschenrechte unangetastet, fügte aber durch Änderungen der Artikel über die Staatsorganisation eine autokratischen Grundsätzen folgende „Putin-Verfassung“ an.
Die Evolution des Putin-Regimes bestätigt die geschichtliche Erfahrung, dass die Umwandlung der inneren Staatsordnung in ein autokratisches Herrschaftssystem mit einer monarchischen Staatsspitze zunächst mit der Beseitigung der politischen Freiheit und persönlichen Sicherheit der Bürger im Inneren einhergeht, der von den Fesseln einer Gewaltenteilung befreite Autokrat dann in der Regel der Versuchung erliegt, seine Machtgelüste auch in der internationalen Arena auszuleben und ein aggressives Verhalten gegenüber anderen Staaten, insbesondere „störenden“ Nachbarstaaten, zu zeigen. Es besteht daher ein innerer „struktureller“ Zusammenhang zwischen der auf Präsident Putin persönlich lastenden Verantwortung für den geheimdienstlichen, behördlichen Mordversuch durch Vergiftung des oppositionellen Politikers Aleksej Navalʼnyj im August 2020[2] und der gegenwärtigen völkerrechtswidrigen Androhung von Gewalt gegen die Ukraine, die partiell bereits in das Stadium der völkerrechtswidrigen Anwendung von Gewalt übergegangen ist und den Tatbestand der Aggression im Sinne des Völkerstrafrechts erfüllt.[3]
Die Fragen im Überblick
Unter der Überschrift „An der Schwelle zum Krieg“ schrieben die Korrespondenten der FAZ in Moskau und Warschau, Friedrich Schmidt und Gerhard Gnauck, am 8. April 2021, Russland „provoziere“ mit Truppenverlegungen auf die Krim und in die Nähe der ukrainischen Grenze, und warfen die Frage auf, welchen Plan Moskau damit verfolge?[4] Unter Bezugnahme auf den Militärjournalisten Aleksandr Golʼc vermuteten sie zwei Stoßrichtungen: erstens eine Einschüchterung der Ukraine, damit diese ihre Angriffspläne gegen die „Volksrepubliken Doneck und Lugansk“ aufgeben solle, und zweitens eine gegen den Westen gerichtete „Drohung mit Krieg“, falls er weiter daran arbeite, die Ukraine gegen Russland in Stellung zu bringen.
Einen Tag später stellte Andreas Rüesch in der NZZ dieselbe Frage und beantwortete sie damit, dass Russlands Außenminister Sergej Lavrov der Ukraine, kaum verhüllt, mit einer vernichtenden russländischen Militärintervention gedroht habe, wenn die Ukraine einen Krieg anzettele.[5]
Im Februar 2022, zehn Monate später, hat sich das Bild dramatisch verändert und für die Ukraine verdüstert. Nun ist sie von drei Seiten durch die Streitkräfte Russlands eingekreist. Fast gleichzeitig halten sie integrierte Manöver in Belarus nördlich von Kiew[6] und im Schwarzen Meer ab. Unter diesem Eindruck sprechen die Medien von einer „Drohkulisse Russlands“ gegenüber der Ukraine und fragen, ob eine großflächige Invasion Russlands bevorstehe.
Das ist nicht die einzige Frage, die der russländische Truppenaufmarsch in den von Russland kontrollierten Grenzgebieten zur Ukraine in der deutschen Öffentlichkeit aufwirft. Nicht weniger häufig fragen sich Politiker, Journalisten und die besorgte Öffentlichkeit, welchen Zweck der Kreml und Präsident Vladimir Putin mit dem Aufmarsch von über 130 000 Soldaten, ausgerüstet mit modernsten, technologisch hochkomplexen Waffensystemen, eigentlich verfolgt. Die Antworten beruhen zwangsläufig auf Vermutungen. Es dominiert die Meinung, dass der Aufmarsch dem Ziel diene, die Ukraine von aggressivem Verhalten gegen Russland und dem Versuch abzuhalten, die separatistischen „Volksrepubliken Doneck und Lugansk“ anzugreifen und zurückzuerobern. Sonderlich überzeugend ist diese These nicht, denn sie erklärt nicht das auffällige, ja krasse Missverhältnis zwischen dem gewaltigen Aufwand des nun bis zur Einkreisung der Ukraine vorangetriebenen Truppenaufmarsches einerseits und der von Russland mit weitaus geringeren Abschreckung zu erreichenden Einschüchterung der Ukraine andererseits.
Offen bleibt bei den Mutmaßungen, welcher Zusammenhang zwischen dem offensichtlich allein gegen die Ukraine gerichteten Truppenaufmarsch und den von Russland an die USA und an die NATO gerichteten zwei Vertragsentwürfen vom 17. Dezember 2021 besteht. Deren Gegenstand war die Forderung, erstens auf eine weitere Ausdehnung der NATO in den postsowjetischen Raum und auf die Aufnahme der Ukraine in das Bündnis zu verzichten, zweitens die Unterlassung von militärischer Hilfe und Unterstützung für die aus der UdSSR hervorgegangenen Staaten (mit Ausnahme der drei baltischen NATO- und EU-Staaten) und der Verzicht auf eine Kooperation mit ihnen, und drittens sollen sich die westlichen Staaten verpflichten, kein zusätzliches Militär und Waffen außerhalb der Länder einzusetzen, die im Mai 1997 dem Bündnis angehörten.
Überraschenderweise haben weder der Deutsche Bundestag noch die Bundesregierung die Frage aufgeworfen, ob nicht der seit der Gründung des Europarates (1950) präzedenzlose Aufmarsch nationaler Streitkräfte eines Mitgliedstaates, Russland, gegen einen anderen Mitgliedstaat, Ukraine, eine ernste, unerträgliche Verletzung des Völkerrechts darstellt und eine politisch-diplomatische Demarche gegenüber Russland, bilateral von Seiten des Auswärtigen Amtes und multilateral im Rahmen des Europarates und des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen, verlangt?
Kaum weniger überraschend ist, dass die Frage der Völkerrechtskonformität des Truppenaufmarsches auch in der Öffentlichkeit keine Rolle spielt. Am erstaunlichsten ist aber, dass sich selbst die „Zunft“ der Völkerrechtler in Schweigen hüllt, obwohl die Charta der Vereinten Nationen nicht erst die Anwendung, sondern auch schon die Androhung von Gewalt verbietet und dieses in Art. 2 Nr. 4 der UNO-Charta (im Weiteren: Satzung der Vereinten Nationen ‒ SVN) verankerte allgemeine Gewaltverbot eines der fundamentalen Prinzipien der universellen Völkerrechtsordnung ist.
Die vorliegende Untersuchung hat das Ziel, die folgenden Fragen zu beantworten: erstens welchen Zweck Präsident Putin mit der militärischen Einkreisung der Ukraine verfolgt, zweitens welcher Zusammenhang zwischen der Einkreisung der Ukraine und Russlands beiden Vertragsentwürfen vom 17. Dezember 2021 besteht, und drittens, ob Russland mit der Androhung militärischer Gewalt das Völkerrecht verletzt und den Weltfrieden gebrochen hat (Art. 39 SVN) oder ob sein Vorgehen gerechtfertigt ist.
Ziel der militärischen Einkreisung der Ukraine
Putins Essay „Über die historische Einheit der Russen und der Ukrainer“
Den militärischen Druck auf die Ukraine hielt Russland nach den grenznahen Manövern vom Frühjahr 2021 kaum vermindert aufrecht. Zusätzlich unternahm der Kreml einen ungewöhnlichen Schritt: Vladimir Putin schlüpfte erneut in die Rolle eines Historikers und veröffentlichte am 12. Juli 2021 auf Russisch und Ukrainisch den Essay „Über die historische Einheit der Russen und der Ukrainer“.[7] Der Text hat nur ein Ziel, den ukrainischen Staat, seine Institutionen und seine politische Führung zu delegitimieren und den Ukrainern die Qualität einer Nation und eines eigenständigen Volkes abzusprechen.[8] Dazu holt Putin weit aus: Mit einem Längsschnitt durch Russlands tausendjährige Geschichte will Putin zeigen, dass Russland allen Widerständen zum Trotz das gewachsene Imperium einer Nation und als solche ein „dreieiniges Volk“ aus Russen, Ukrainern und Belarussen sei. Die heutige Ukraine stelle dagegen ein „Anti-Russland-Projekt“ des Westens dar.[9] Um das zu belegen, richtet Putin im zweiten Teil seines Essays schärfste Angriffe an die ukrainische Führung. Sie münden in der Aussage:
„Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die gegenwärtige Politik einer gewaltsamen Assimilation, der Schaffung eines ethnisch reinen ukrainischen Staates, die sich aggressiv gegen Russland richtet, in ihren Folgen vergleichbar ist mit dem Einsatz von Massenvernichtungsmitteln gegen uns.“
Das „Anti-Russland-Projekt“ stehe „unter dem Protektorat, unter der Kontrolle der westlichen Mächte“, schreibt Putin und fährt fort:
„Genau dies geschieht in der Praxis. In der ukrainischen Gesellschaft wird ein Klima der Angst geschürt, es wird eine aggressive Rhetorik gepflegt, man lässt Neonazis gewähren, die Militarisierung des Landes schreitet voran. Damit einher geht nicht nur eine völlige Abhängigkeit, sondern auch eine direkte Steuerung von außen, einschließlich der Überwachung der ukrainischen Staatsorgane, Dienste und Streitkräfte durch ausländische Berater, eine militärische „Aneignung“ des Territoriums der Ukraine und Ausbau der NATO-Infrastruktur […] Im „Anti-Russland-Projekt“ ist kein Platz für eine souveräne Ukraine und für politische Kräfte, die versuchen, eine echte Unabhängigkeit des Landes zu erreichen. Wer von Versöhnung in der ukrainischen Gesellschaft, von Dialog und einem Ausweg aus der derzeitigen Sackgasse spricht, wird als „prorussischer“ Agent stigmatisiert.“
Die Ukraine wird als Marionette und Speerspitze des als Feind Russlands hingestellten Westens betrachtet. Unterstützung und Stärkung der Souveränität und Unabhängigkeit der Ukraine durch Zusammenarbeit mit dem Westen auf allen möglichen Feldern der Politik stellt Präsident Putin als aggressives Agieren gegen Russland dar. Der von Putin angeschlagene antiukrainische Ton wird zunehmend schrill und drohend:
„Zu einem „echten“ Patrioten der Ukraine wird heutzutage nur erklärt, wer Russland hasst. Mehr noch, die gesamte ukrainische Staatlichkeit soll, wenn wir es richtig verstehen, künftig ausschließlich auf dieser Idee aufgebaut sein. Hass und Ressentiment sind, die Weltgeschichte hat es mehr als einmal demonstriert, ein äußerst schwankender Grund für Souveränität, der viele große Risiken birgt und schwerwiegende Folgen haben kann.“[10]
Neben ihrer gegen „den Westen“ gerichteten, negativ-abwehrende Seite hat die antiukrainische Propaganda des Kremls auch eine „positive Seite“, die in dem Essay zwar nicht ausdrücklich behandelt wird, für Präsident Putin aber die Hauptsache ist. Es ist das von ihm seit seiner zweiten Amtszeit (2004‒2008) angestrebte Ziel, das historische große Russland („Rossija“) wiederherzustellen, die 1991 in die Welt getretene „Russländische Föderation“ in ein neues „Russländisches Imperium“ zu verwandeln und im Geiste der Kontinuität die aus seiner Sicht ruhmreiche Geschichte des Zarenreiches und der Sowjetunion in der Welt von heute fortzusetzen.[11] Hier wird ein Bezug zur Verfassung Russlands sichtbar, denn Präsident Putin enthüllt mit seinem Essay den politischen und rechtlichen Sinn jener fast versteckten Bestimmung, die zum ideologischen Kern der weitreichenden Verfassungsrevision vom März 2020 zählt,[12] nämlich den in die Verfassung von 1993 eingefügten Art. 671. Dessen im Stil einer Verfassungspräambel (!) formulierter Absatz 2 lautet:
„Die Russländische Föderation, vereint durch eine tausendjährige Geschichte, das Andenken an die Vorfahren bewahrend, die uns Ideale, den Glauben an Gott und die Kontinuität in der Entwicklung des russländischen Staates überliefert haben, erkennt die historisch gewachsene staatliche Einheit an.“
Putins Essay, der die tausendjährige Geschichte des „russländischen Staates“ in den Blick nimmt, hat wegen der Autorität des Autors als Oberhaupt dieses Staates den Rang eines offiziösen, verbindlichen Kommentars jener Vorschrift der Verfassung.[13]
Putins Ukraine-Kurs und das „Vermächtnis“ von Aleksandr Solʼženicyn
Putin stellt das „große Russland“ als „historisch gewachsene staatliche Einheit“ unter Einschluss der Ukraine und Belarus dar. Diese Idee hat eine lange Geschichte.[14] Vladimir Putin übernahm sie kurz nach seinem Amtsantritt von Aleksandr Solʼženicyn. Während der Perestrojka hatte dieser noch im Exil in den USA die Broschüre Kak nam obustroitʼ Rossiju? Posilʼnye soobraženija verfasst. Sie erschien 1990 in Paris, wurde in Russland aber schnell populär.[15] Solʼženicyn vertrat darin eindringlich die These, die „Russen“ bildeten kraft ihrer Geschichte seit der Kiewer Rusʼ ein einziges aus Großrussen, Kleinrussen und Belarussen bestehendes Volk. Das Volk der Kiewer Rusʼ habe den Moskauer Staat gegründet. Es sei künstlich, nur durch eine fremde Macht, die tatarische Fremdherrschaft, auseinandergerissen worden. Wörtlich schreibt Solʼženicyn:
„Unter litauischer und polnischer Herrschaft waren Kleinrussen und Weißrussen sich ihres Russentums bewußt und sie widerstanden allen Versuchungen, zu Polen und zum Katholizismus abzufallen. Die Rückkehr dieser Länder nach Rußland wurde seinerzeit von allen als Wiedervereinigung empfunden.“[16]
Solʼženicyn entwarf 1990, als die Sowjetunion noch existierte und alle Russen in den Grenzen eines Staates lebten, für das ihm vorschwebende Russland eine politische Ordnung, in der sich überörtlichen Selbstverwaltungseinheiten stufenweise demokratisch gebildete staatliche Leitungsebenen erheben sollten.
Als Solʼženicyn 1994 in seine Heimat zurückkehrte, war Russland nur noch eine von 15 nun unabhängig gewordenen Unionsrepubliken der 1991 untergegangenen UdSSR, gleichberechtigt neben der Ukraine und Belarus. Das russische „Volk“, „Rossija“, war in eine zersplitterte Lage zurückgefallen, wie sie im Prinzip während des „Mongolenjochs“ bestanden hatte. Damit war zwar seiner Programmschrift die verfassungsrechtliche Grundlage entzogen, doch Solʼženicyn passte die Schrift der neuen Lage nicht an. Wollte man an seinem Imperativ, das historische, also das „große Russland“ wieder aufzubauen, gleichwohl festhalten, dann musste nun die staatliche „Wiedervereinigung“ der Russländischen Föderation mit der Ukraine und Belarus zu einer erstrangigen politischen Aufgabe werden. Putins Essay zwei Jahrzehnte später „Über die historische Einheit der Russen und der Ukrainer“ ist ein Bekenntnis, sich dieser Aufgabe zu stellen und sie zu erfüllen
Schon zuvor hatte es Indizien gegeben, dass Vladimir Putin sich als Vollstrecker des staatspolitischen, nationalen Vermächtnisses Aleksandr Solʼženicyns versteht. Kurz nach Putins Amtsantritt als Präsident traf er sich mit Solʼženicyn in Moskau. Sie sprachen über den von Solʼženicyn heftig kritisierten Zustand des Landes und über sein Manifest von 1990.[17] Auch danach hielt er mit Solʼženicyn wegen der vom Kreml geplanten Ehrungen des „nationalen Propheten“ Kontakt.[18] Am 12. Juni 2007 verlieh Präsident Putin Aleksandr Solʼženicyn schließlich den „Staatspreis Russlands“. Da Solʼženicyn nicht mehr reisefähig war, besuchte Putin ihn zuvor im Dorf Troice-Lykovo bei Moskau und berichtete ihm, dass Solʼženicyns Vorstellungen in seine Politik einflössen.[19]
So sehr sich der Ex-KGB-Spion und Tschekist Putin und der Ex-Gulag-Häftling, Schriftsteller und Nobelpreisträger Solʼženicyn unterschieden, stimmten sie doch in vier politischen Grundüberzeugungen überein:
„Beide gingen davon aus, dass sich die russische Staatlichkeit auch auf Belarus und die Ukraine erstrecken müsse, beide unterstrichen die Wichtigkeit der orthodoxen Kirche für die russische Kultur, beide kritisierten die Medienabhängigkeit der westlichen Demokratie und beide sprachen sich gegen den Raubtierkapitalismus der Oligarchen aus.“[20]
Solʼženicyn starb Anfang August 2008.[21] Den Anschluss der Krim an Russland erlebte er nicht mehr, aber er hätte ihn begeistert gefeiert – so wie die erdrückende Mehrheit der Russen. Das hatte Präsident Putin gewiss im Sinn, als er schon im Juni 2014, also nur wenige Wochen nach der Annexion der Krim, der Regierung den Auftrag erteilte, Feierlichkeiten zum 100. Geburtstag Aleksandr Solʼženicyns im Dezember 2018, also vier Jahre im Voraus, vorzubereiten.[22] Am 11. Dezember 2018 wurde in Moskau eine Bronzestatue für Solʼženicyn enthüllt. Zur feierlichen Einweihung sagte Präsident Putin unter wörtlicher Anspielung auf Solʼženicyns Manifest von 1990:
„Ohne sich die Vergangenheit eines Landes bewusst zu machen, kann es keine sinnvolle Bewegung in die Zukunft geben, glaubte Aleksandr Isaevič. Und er konzentrierte seine Worte darauf, Wege eines kräftigeren Aufbaus Russlands (obustrojstva Rossii) zu finden und aufzuzeigen, dass sich die schwierigen und dramatischen Prüfungen, die das Land heimsuchten, nie wiederholen mögen und unser multinationales Volk in Würde und Gerechtigkeit leben kann. So sah er seine Mission, sein Ziel und den Sinn seines Wirkens.“[23]
Diese Sätze galten zwar der Würdigung Solʼženicyns als großem Patrioten, aber der Gedanke liegt nahe, dass Vladimir Putin hier auch sein persönliches Credo aussprach: die Wiederherstellung des großen Russland – Rossija – und die Erfüllung von Solʼženicyns Vermächtnis als „seine Mission, sein Ziel und seinen Dienst“ im Amt des Präsidenten.
Vor diesem Hintergrund wirft Putins Essay ein Schlaglicht auf die in politischer Hinsicht bedeutendste Bestimmung der Verfassungsrevision von 2020, nämlich auf Art. 81 Abs. 31, auf die exklusive Befreiung Vladimir Putins von der für seine Nachfolger fortgeltenden Amtszeitenbeschränkung des Präsidenten. Sie räumt Putin die Möglichkeit ein, unter den Bedingungen des von ihm errichteten autoritär-diktatorischen Regimes bis 2036, also de facto auf Lebenszeit, Russland zu regieren. Damit enthüllt sich auch der spezifische Sinn der Bemerkung Putins zur Langzeitperspektive der Verfassungsänderung, die er unmittelbar vor der Entscheidung der Duma über sein Amtszeitenprivileg gemacht hatte.[24] Er sagte damals:
„Wir fügen Korrekturen in die Verfassung ein, nicht für fünf, nicht für zehn Jahre, nein, mindestens für 30, denke ich, für 50 Jahre. Deswegen überlege ich, was für die Zukunft erforderlich ist. Es geht nicht einmal um heute.“
In der Tat ging und geht es Präsident Putin nicht um das „Heute“, sondern darum, die verfassungsrechtlichen Weichen dafür zu stellen, im Horizont des Art. 671 der Verfassung noch selbst als Präsident die Umwandlung der „Russländischen Föderation“ in eine Neuauflage des „Russländischen Imperiums“ mit der Hegemonie Moskaus auch und gerade über die Ukraine und über Belarus zu vollziehen.
Der 2014 vollzogene Anschluss der Krim und der Stadt Sevastopolʼ an Russland sowie die zeitgleich errichtete Kontrolle Moskaus über einen Teil des russischsprachigen Donbass erscheinen im Nachhinein als erster Schritt Präsident Putins auf dem Wege (auch) zur Erfüllung des Vermächtnisses Aleksandr Solʼženicyns. Zugleich wird offenbar, dass Putin seit 2021 den entscheidenden zweiten Schritt vorbereitet und zu unternehmen bereit ist, die Ukraine mit ihrer großflächigen militärischen Einkreisung dem Willen des Kreml zu unterwerfen. Die ideologische, „großrussisch-moskowitische“ Grundlage hat Präsident Putin mit seinem Essay vom Juli 2021 gelegt. In letzter Konsequenz würde sie auf eine Eingliederung der Ukraine in die „Russländische Föderation“ hinauslaufen. Ob es dazu jetzt oder später kommt, ist offen, aber das Zwischenziel, nämlich die Etablierung und Sicherung der strategischen Hegemonie Moskaus über Kiew strebt Präsident Putin entschlossen an.
Die militärische Einkreisung und Moskaus Forderung der völkerrechtlichen Anerkennung des Territoriums der ehemaligen Sowjetunion als exklusive Interessensphäre Russlands
Vladimir Putin hält seit dem Herbst 2021 die internationalen Rahmenbedingungen in der EU, in Deutschland, in den USA und im transatlantischen Bündnis offenkundig für günstig, mit einem Schritt für Schritt erhöhten militärischen Druck und begleitenden politischen Forderungen Russlands machtpolitische, strategische Hegemonie über die Ukraine zu erringen. Das vom Kreml im Dezember 2021 an die USA und die NATO und ihre Mitgliedstaaten gerichtete Ultimatum, die Sicherheitsvorschläge Russlands vertraglich zu akzeptieren, und die Anfang Februar 2022 vollzogene militärische Einkreisung der Ukraine legen davon Zeugnis ab. Auch die innenpolitische Lage des Putin-Regimes liefert eine Begründung erstens für den Zeitpunkt der vom Kreml künstlich angeheizten „Ukraine-Krise“ und zweitens für ihre dramatische Beschleunigung. Denn beides vermag die Vermutung zu bestätigen, Präsident Putin werde versuchen, rechtzeitig vor den nächsten Präsidentenwahlen sein in der Bevölkerung stark gesunkenes Ansehen – ebenso, wie es ihm 2014 mit der Eroberung der Krim schon einmal gelungen ist – durch einen großen, nationalpolitischen Erfolg erneut nachhaltig aufzubessern. Der Termin der nächsten Präsidentenwahl und damit der möglichen Wiederwahl Putins liegt im März 2024. Bis dahin ist noch vergleichsweise lange Zeit. Der zeitliche Abstand reicht, um ein mögliches Scheitern des Unternehmens, das Präsident Putin mit der von ihm angezettelten „Ukraine-Krise“ offensichtlich verfolgt, innenpolitisch ohne allzu starken Prestigeverlust noch auffangen zu können.
Nach den Truppenmanövern an den Ostgrenzen der Ukraine und den Marinemanövern auf der Krim und im Schwarzen Meer, also an der Südgrenze der Ukraine, kam es bei der Fahrt von einzelnen niederländischen und britischen Kriegsschiffen teils durch internationale Gewässer, teils durch das nationale ukrainische Küstenmeer zu seerechtwidrigen Aktionen russländischer Schiffe und Flugzeuge.[25] Unter massiver Verletzung der ukrainischen Rechte in den Seegebieten westlich der Krim bis zum Golf von Odessa okkupierte Russland dort liegende Gasbohrinseln der Ukraine nach 2014, beutet sie seitdem widerrechtlich aus und hat die Gewässer für ukrainische Schiffe de facto gesperrt.[26] Die für die Sicherheit und die Wirtschaft der Ukraine einschneidenden Übergriffe Russlands über die Krim hinaus auf das Asowsche Meer im Osten[27] sowie bis in die Nähe von Odessa, dem Haupthafen der Ukraine, im Westen wird seit Jahren vom Europarat, der EU und der Bundesregierung erstaunlicherweise schweigend hingenommen und von den deutschsprachigen Medien weitgehend ignoriert. Das lässt sich nur mit Desinteresse an der Ukraine erklären, während in Deutschland an Russland und selbst am autokratischen Putin-Regime ein größeres Interesse, sogar ein beträchtliches Wohlwollen, existiert.
Russlands Truppenbewegungen mitsamt den Manövern im Osten und Süden der Ukraine wurden Mitte September 2021 durch das gemeinsam mit Belarus nördlich der Ukraine veranstaltete traditionelle Großmanöver „Zapad“ (Westen) beendet.[28] Wenn die NATO und ihre Mitgliedstaaten nun aber gehofft haben sollten, dass Russland seine Truppen wieder an ihre regulären Standorte zurückverlegen würde, wären sie herb enttäuscht worden, denn es geschah das gerade Gegenteil. Seit Oktober 2021 häufen sich Hinweise, dass Russland seine Truppenpräsenz an der Ostgrenze der Ukraine und auf der Krim systematisch verstärkt. Mitte November teilte die Geheimdienstkoordinatorin der US-Regierung, Avril Haines, NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Sitz der Allianz in Brüssel förmlich mit, dass der anhaltende und schrittweise verstärkte Truppenaufmarsch an den Grenzen der Ukraine es Russland ermöglichen werde, ab Ende Januar 2022 in das Land einzumarschieren.[29]
Das war kein virtuelles „Szenario“ mehr, sondern eine militärische Realität, die Russland neue politische Möglichkeiten gegenüber der Ukraine und dem Westen eröffnet.
Nachdem Präsident Putin mit massiven Vorwürfen an die Adresse der USA, der NATO und der Ukraine und in einem zunehmend scharfen, drohenden Ton die Erfüllung der russländischen Sicherheitsforderungen verlangt hatte, kam es am 7. Dezember 2021 zu einer Videokonferenz mit dem US-Präsidenten Joe Biden. Dieser, so das vom Kreml veröffentlichte Protokoll, „akzentuierte den angeblich drohenden Charakter der Bewegungen russländischer Truppen in der Nähe der ukrainischen Grenzen und drohte mit Sanktionen. Präsident Putin erhob seinerseits Klage erstens gegen die Ukraine, die „Minsker Vereinbarungen“ von 2015 „demontieren“ zu wollen und „provozierende Aktionen gegen den Donbass“ zu führen, und zweitens gegen die NATO, „gefährliche Versuche der Aneignung ukrainischen Territoriums zu unternehmen“ und „das militärische Potential an unseren Grenzen zu erhöhen“. Russland sei daran interessiert, verlässliche, juristisch fixierte Garantien zu bekommen, welche eine Ausdehnung der NATO nach Osten und die Verlegung von militärischen Angriffswaffensystemen in die an Russland angrenzenden Staaten ausschlössen. [30]
Die Präsidenten einigten sich darauf, Konsultationen zu den Streitfragen auf der Arbeitsebene durchzuführen. Deren Ergebnis wartete der Kreml indes nicht ab, sondern überraschte ‒ passend zu der von ihm verfügten Beschleunigung des Truppenaufmarsches – wenige Tage später mit einem politischen Paukenschlag: Am 17. Dezember 2021 veröffentlichte Russlands Außenministerium zwei Schriftstücke, die mit provozierender Einseitigkeit die sicherheitspolitischen Interessen Russlands in der von ihm geschaffenen Krise formulierten: erstens den Entwurf eines „Vertrages zwischen der Russländischen Föderation und den Vereinigten Staaten von Amerika über Sicherheitsgarantien“[31] und zweitens den Entwurf einer „Vereinbarung über Maßnahmen der Gewährleistung der Sicherheit der Russländischen Föderation und der NATO-Mitgliedstaaten“.[32] Offenkundig waren es die von Präsident Putin in seinem Gespräch mit Joe Biden geforderten, nun in die Sprache des Völkerrechts gekleideten „verlässlichen“ Sicherheitsgarantien:
Der Vertragsentwurf mit den USA verpflichtet beide Vertragsparteien erstens dazu, alle Aktionen zu unterlassen, „welche die Sicherheit der anderen Seite berühren, an solchen Aktionen teilzunehmen oder sie zu unterstützen“ (Art. 1), zweitens zum Verzicht darauf, „das Territorium anderer Staaten zu nutzen, um einen bewaffneten Überfall auf die andere Seite vorzubereiten oder auszuführen, oder sonstige Aktionen zu unterlassen, die die vitalen Sicherheitsinteressen der anderen Seite berühren“ (Art. 3), drittens die USA zum Verzicht darauf, einer NATO-Osterweiterung und insbesondere der Aufnahme ehemaliger Unionsrepubliken der UdSSR in die Allianz zuzustimmen, die Errichtung von Militärbasen in den ehemaligen Unionsrepubliken (mit Ausnahme der baltischen Staaten) und dort alle sonstigen militärischen Aktionen und bilateralen militärischen Kooperationen mit ihnen zu unterlassen (Art. 4), viertens beide Seiten dazu, die Verlegung sei es ihrer nationalen Truppenverbände oder der Verbände einer Allianz in „Rayone“ zu unterlassen, „die von der anderen Vertragspartei als Bedrohung ihrer nationalen Sicherheit angesehen würde, ausgenommen das eigene Staatsgebiet“ (Art. 5 Abs. 1). Die weiteren vom Entwurf vorgesehenen Vertragsbestimmungen (Art. 5 Abs. 2 – Art. 7) beschränken den militärischen und insbesondere nuklearen Flug- und Schiffsverkehr der Vertragspartner außerhalb des eigenen Hoheitsgebietes, sofern er von Russland oder von den USA als Gefährdung ihrer Sicherheitsinteressen betrachtet wird.
Der Entwurf einer Vereinbarung Russlands mit den NATO-Staaten über ihre beiderseitige Sicherheit ergänzt den Vertrag mit den USA und rundet ihn ab. Die NATO-Staaten sollen sich verpflichten, „sich jeglicher militärischen Aktivitäten auf dem Territorium der Ukraine sowie der übrigen Staaten Osteuropas, des Transkaukasus und Mittelasiens zu enthalten“ (Art. 7 Abs. 1), und sollen Verpflichtungen übernehmen, „welche die weitere Ausdehnung der NATO ausschließen, darunter auch die Aufnahme der Ukraine sowie anderer Staaten“ (Art. 6). Ferner verpflichten sich gemäß dem Entwurf Russland und die bis zum 27. Mai 1997 [bis zum Abschluss der NATO-Russland-Grundakte; O.L.] der NATO beigetretenen Mitgliedstaaten dazu, „keine Streitkräfte und Waffen auf den Gebieten aller anderen Staaten Europas zu stationieren“ (Art. 4).
Die Vertragsentwürfe sind formell zwar paritätisch angelegt, aber tatsächlich haben die Bestimmungen eine asymmetrische Wirkung, und zwar erstens deswegen, weil mit Ausnahme der drei baltischen Republiken sämtliche Nachbarstaaten Russlands als Gliedrepubliken der ehemaligen Sowjetunion einen militärischen Sonderstatus erhalten sollen, nämlich den Status einer exklusiven Sicherheitszone Russlands, um sie für militärische Aktionen der NATO und ihrer Mitgliedstaaten strikt zu sperren, und zweitens deswegen, weil den USA, der NATO und ihren Mitgliedstaaten in Osteuropa weitgehend die Hände gebunden werden.
Der Außenpolitik-Redakteur der FAZ, Reinhard Veser, brachte die doppelte Stoßrichtung der Vertragsentwürfe treffend auf die Formel: „Aufforderung zur Kapitulation“. [33]
Verstößt Russland mit seiner militärischen Einkreisung der Ukraine gegen das Völkerrecht?
Russlands massive militärische Bedrohung der Ukraine ‒ als solche kein Anlass zu völkerrechtlicher Kritik?
Sowohl die Bürger der Ukraine als auch die internationale Öffentlichkeit nehmen den seit dem Frühjahr 2021, also schon seit Monaten anhaltenden Aufmarsch der Streitkräfte Russlands an den Grenzen der Ukraine als eine massive Drohung wahr und sehen die reale Gefahr eines Krieges.[34] Vor diesem Hintergrund drängt sich aus dem Blickwinkel des Völkerrechts die Frage auf, ob das Handeln Russlands nicht dem allgemeinen Gewaltverbot, einem der wichtigsten Prinzipien des geltenden Völkerrechts, niedergelegt in Art. 2 Nr. 4 der UNO-Charta, widerspricht. Die Bestimmung lautet:
„Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“
Unter das Gewaltverbot fällt demnach nicht nur die Anwendung von Gewalt, also der militärische Überfall auf einen Nachbarstaat wie 1939 der des Deutschen Reiches auf die Republik Polen als eines der bekanntesten „Schulbeispiele“, sondern auch schon die Androhung von Gewalt. Angesichts der Brisanz des Lage „rund um die Ukraine“ berührt es daher eigenartig, dass einerseits die internationalen Medien den russländischen Truppenaufmarsch an den Grenzen der Ukraine als militärische und auch politische Bedrohung der Ukraine wahrnehmen, andererseits die Regierungen der EU- und auch der NATO-Mitgliedstaaten, die dem Geschehen territorial, politisch und rechtlich besonders nahestehen, Russland zwar laufend davor warnen, in die Ukraine einzumarschieren, aber die mögliche Völkerrechtswidrigkeit schon des offenkundig bedrohlichen Truppenaufmarsches als solche ausblenden. Beispielhaft sei das mit den Erklärungen illustriert, die Bundeskanzler Olaf Scholz und Außenministerin Annalena Baerbock in der ersten Plenardebatte des Deutschen Bundestages nach der Weihnachtspause am 12. Januar 2022 zu der „Ukraine-Krise“ abgaben. Bundeskanzler Scholz sagte:[35]
„Heute finden erstmals seit langer Zeit wieder Gespräche im NATO-Russland-Rat statt. Gestern haben Gespräche zwischen den USA und Russland stattgefunden. Es wird Gespräche im Rahmen der OSZE geben. Und wir sorgen aktiv dafür, dass es wieder Möglichkeiten gibt, das Gesprächsformat, das Normandie-Format, zwischen den Ländern, die das auf den Weg gebracht haben, zu beleben, um die Krise in der Ukraine zu überwinden.
Das ist eine ernste Bedrohung der Sicherheit in Europa. Der Truppenaufmarsch entlang der ukrainischen Grenze muss uns Sorge machen, und er macht mir persönlich auch sehr, sehr große Sorgen. Es ist etwas passiert mit der Annexion der Krim, nämlich dass eine eroberte [der Kanzler meinte wahrscheinlich „erreichte“; O.L.] Sicherheit – eine, die wir miteinander in Europa politisch erobert [sic!] haben, dass Sicherheit nur gemeinsam erreicht werden kann – verloren gegangen ist. Denn eine Grundkonstante gehörte immer dazu: Die gemeinsame Erklärung, dass Grenzen in Europa nicht mehr verschoben werden, dass die territoriale Integrität der Staaten ungefährdet bleibt. Wir müssen zu dieser Situation wieder zurückkehren. Das werden wir tun, eingebettet in die Europäische Union und in die NATO. Zusammen mit unseren amerikanischen Verbündeten werden wir klar dafür sorgen, dass diese Dialogformate alle wieder dafür genutzt werden, dass wir den notwendigen Fortschritt für Sicherheit in Europa erreichen.“
Der Bundeskanzler wies mit keinem Wort darauf hin, dass Russland bereits mit der Annexion der Krim und auch danach fundamentale Prinzipien des Völkerrechts gebrochen hat und Russland während seiner Rede die völkerrechtswidrigen Aktivitäten fortsetzt und damit die von Russland einst mit beschlossenen Grundlagen der europäischen Sicherheitsordnung noch weitaus schwerer verletzt, als es mit der Annexion der Krim geschah. Stattdessen redete Olaf Scholz – unbestimmt und wolkig – von „Grundkonstante“ und „gemeinsame Erklärung“ und davon, dass „wir“ wieder „zu dieser Situation“ zurückkehren müssen, „wir“ mit der EU und mit der NATO und „wir“ mit den US-Verbündeten. Dass nicht „wir“, sondern dass Russland zur Einhaltung der Prinzipien des Völkerrechts und zu den bis 2013 von ihm respektierten völkerrechtlichen Grundlagen der 1990/1991 geschaffenen europäischen Friedensordnung zurückkehren muss, verschwieg Bundeskanzler Scholz, vermutlich aus falscher diplomatischer Rücksichtnahme auf Präsident Putins und Außenminister Lavrovs bekannte Empfindlichkeit gegenüber auch nur der leisesten Kritik.
In der Sache nicht anders als der Bundeskanzler äußerte sich Außenministerin Baerbock. Sie sagte:[36]
„Seit Wochen lässt Russland an der Grenze zur Ukraine Truppen aufmarschieren. Auf diese Provokation haben wir als Bundesregierung gemeinsam mit unseren Partnerinnen und Partnern deutlich reagiert. Die Souveränität der Ukraine und die Unverrückbarkeit der Grenzen in Europa sind für uns nicht verhandelbar. Eine neue militärische Aggression gegen die Ukraine hat für Russland einen hohen Preis. Zugleich gilt: Trotz dieses unglaublich besorgniserregenden russischen Agierens gibt es nur eine Lösung, und die heißt Diplomatie, um die aktuellen Spannungen zu lösen. Es ist daher wichtig und richtig, dass diese Woche in verschiedenen Foren Gespräche geführt werden, im Strategischen Dialog zwischen den USA und Russland, im NATO-Russland-Rat, in der OSZE. Und Frankreich und Deutschland arbeiten eng zusammen, um neue Verhandlungen im Normandie-Format wieder aufzunehmen. Denn klar ist: Es gibt keine Entscheidung über die Sicherheit in Europa ohne Europa.“
Die Erklärung der Außenministerin war im Ton zwar deutlich schärfer als die auffallend schwammige Erklärung des Bundeskanzlers, aber auch die Außenministerin vermied es, Russland ausdrücklich an die Einhaltung der völkerrechtlichen Prinzipien zu erinnern, obwohl Russland sie nicht nur einhalten, sondern sie als Ständiges Mitglied mit Veto-Recht im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen eigentlich vorbildlich erfüllen müsste. Frau Baerbock vermied das ganz offensichtlich deswegen, um die „diese Woche in verschiedenen Foren geführten Gespräche“ nicht einmal durch eine wohl begründete, unangreifbare und politisch dringend nötige Kritik an Russlands Adresse zu stören, weil es in dem Konflikt ja, so das Credo der deutschen Außenministerin, „nur eine Lösung, und die heißt Diplomatie“ gebe.[37]
Die militärische Einkreisung der Ukraine – völkerrechtswidrige Androhung von Gewalt in den internationalen Beziehungen (Art. 2 Nr. 4 SVN)
Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat in zwei Resolutionen unter Einschluss von abstrakt formulierten Musterfällen den Inhalt und die Reichweite des völkerrechtlichen allgemeinen Gewaltverbots in den Beziehungen zwischen Staaten und Gruppen von Staaten bestimmt, nämlich erstens in Punkt 1 der Friendly Relations Declaration vom 24. Oktober 1970[38] und zweitens ‒ spezieller und detaillierter ‒ in der Definition of Aggression vom 14. Dezember 1974.[39] Diese Definition konzentriert sich darauf, „act of aggression“ bzw. „Angriffshandlung“[40], als den Schlüsselbegriff des Art. 39 SVN zu konkretisieren, der die Vereinten Nationen ermächtigt, gegen Staaten einzuschreiten, die den Weltfrieden (breach of the peace) durch eine solche Handlung brechen.
Art. 3 listet in einem Katalog die aus der neueren Geschichte bekannten typischsten Fälle staatlicher Angriffshandlungen auf:
(a) The invasion or attack by the armed forces of a State of the territory of another State, or any military occupation, however temporary, resulting from such invasion or attack, or any annexation by the use of force of the territory of another State or part thereof,
(b) Bombardment by the armed forces of a State against the territory of another State or the use of any weapons by a State against the territory of another State;
(c) The blockade of the ports or coasts of a State by the armed forces of another State;
(d) An attack by the armed forces of a State on the land, sea or air forces, or marine and air fleets of another State;
(e) The use of armed forces of one State which are within the territory of another State with the agreement of the receiving State, in contravention of the conditions provided for in the agreement or any extension of their presence in such territory beyond the termination of the agreement.
Indem Russland Streitkräfte aller Waffengattungen – Heer, Luftwaffe, Marine und Raketeneinheiten ‒ inzwischen an allen vom Kreml kontrollierten drei Seiten der Ukraine in Stellung gebracht und auf einen Überfall auf die souveräne Ukraine vorbereitet hat, würde es bei einem koordinierten Angriff auf die Ukraine ausnahmslos alle jene „klassischen“ Fälle der „Aggression“ realisieren. Die Einkreisung der Ukraine zeigt sich schon bei einem oberflächlichen Blick auf die Landkarte: im Norden im Verlauf der Grenze der Ukraine zur Republik Belarus, im Nordosten und Osten der Grenze mit Russland und dem von Russland teilweise beherrschten ukrainischen Donbass sowie im Süden an den völkerrechtlich anerkannten Grenzen der Ukraine zum Asowschen und zum Schwarzen Meer, wo Russland ‒ völkerrechtswidrig ‒ auf der 2014 annektierten Halbinsel Krim[41] und im seither de facto ebenfalls annektierten Asowschen Meer[42] sowie in den von ihm kontrollierten Seegebieten vor Odessa[43] seine der Ukraine weit überlegenen Marinestreitkräfte aufgestellt hat.[44]
Hinsichtlich der völkerrechtlichen Bewertung der im Februar 2022 abgeschlossenen militärischen Einkreisung der Ukraine sind die Annexion der Krim, der Straße von Kertsch und des Asowschen Meeres sowie von Seegebieten westlich der annektierten Krim und ebenso auch Russlands völkerrechtswidrig bewirkte Bildung separatistischer „Volksrepubliken“ in einigen östlichen Rayonen des Donbass von eminenter Bedeutung. Denn es handelt sich ausnahmslos um offenkundige und schwerwiegende Verletzungen des allgemeinen Gewaltverbots sowie bedeutender völkerrechtlicher Verträge, mit denen Russland fundmentale Rechte der Ukraine anerkannt hat. Russland nimmt sie selbstverständlich ungeschmälert und uneingeschränkt auch für sich in Anspruch.
Erfüllt Russlands Truppenaufmarsch auf allen von Russland kontrollierten Territorien an den Grenzen zur Ukraine, der wegen der von Russlands Zugriff ausgeschlossenen westlichen Staatsgrenzen die für Russland maximal mögliche Einkreisung der Ukraine darstellt und deswegen als eine qualifizierte bezeichnet werden darf, den Begriff der „Androhung“ im Sinne des allgemeinen Gewaltverbotes?
Im Unterschied zu dem Begriff der Gewalt wird das, was „Androhung“ von Gewalt (threat of force) bedeutet, von der UN-Generalversammlung in den genannten Resolutionen Nr. 2625 und 3314 offen gelassen.[45] Der Begriff der Androhung von oder der Drohung mit Gewalt bedarf folglich der Auslegung. Das lenkt den Blick auf den Internationalen Gerichtshof (IGH), der als das „Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen“ (Art. 92 Abs. 1 SVN) dazu ermächtigt ist, die vom Weltsicherheitsrat oder von der UN-Generalversammlung nicht geklärten Fragen der UNO-Charta (vgl. Art. 10; Art. 12 SVN) verbindlich zu entscheiden. Mit der Frage, was „Androhung von Gewalt“ im Sinne von Art. 2 Nr. 4 SVN bedeutet, hat sich der IGH 1996 in seinem Gutachten zur evtl. Völkerrechtswidrigkeit jeglicher Nutzung von Nuklearwaffen auseinandergesetzt und ist in Paragraph 47 zu der folgenden klaren Erkenntnis gekommen:
„In order to lessen or eliminate the risk of unlawful attack, States sometimes signal that they possess certain weapons to use in self-defence against any State violating their territorial integrity or political independence. Whether a signalled intention to use force if certain events occur is or is not a „threat“ within Article 2, paragraph 4, of the Charter depends upon various factors. If the envisaged use of force is itself unlawful, the stated readiness to use it would be a threat prohibited under Article 2, paragraph 4. Thus it would be illegal for a State to threaten force to secure territory from another State, or to cause it to follow or not follow certain political or economic paths. The notions of „threat“ and „use“ of force under Article 2, paragraph 4, of the Charter stand together in the sense that if the use of force itself in a given case is illegal ‒ for whatever reason ‒ the threat to use such force will likewise be illegal. In short, if it is to be lawful, the declared readiness of a State to use force must be a use of force that is in conformity with the Charter. For the rest, no State ‒ whether or not it defended the policy of deterrence ‒ suggested to the Court that it would be lawful to threaten to use force if the use of force contemplated would be illegal.“[46]
Für die völkerrechtliche Bewertung der militärischen Einkreisung der Ukraine durch Russland sind folgende Feststellungen des IGH von Bedeutung:
Erstens: Wenn die Anwendung von Gewalt (use of force) aus dem Blickwinkel der UNO-Charta nicht gerechtfertigt und folglich völkerrechtswidrig ist, dann ist auch die Androhung solcher Gewalt (threat of force) völkerrechtswidrig.
Zweitens: Drohungen, die zur Unterstreichung des Willens zur Selbstverteidigung gegenüber einem bewaffneten Angriff von Seiten eines anderen Staates erklärt werden, sind als abwehrende Gegendrohungen durch das „naturgegebene Recht auf Selbstverteidigung“ (Art. 51 SVN) gedeckt und daher rechtmäßig.
Drittens: Völkerrechtswidrig ist eine Drohung mit Gewalt, um „Gebiete eines anderen Staates zu erlangen“ oder ihn dazu zu veranlassen, „bestimmte politische oder wirtschaftliche Wege zu beschreiten oder nicht zu beschreiten“.
Viertens: Der IGH stellt hinsichtlich dieser Interpretation des Art. 2 Nr. 4 SVN einen Konsens aller an dem Gutachten interessierten Staaten fest.
Eine Reihe von grundsätzlichen Fragen hat der IGH in seinem Gutachten nicht behandelt, weil er dazu wegen der Besonderheiten der ihm zur Prüfung vorgelegten Problematik des Einsatzes von Nuklearwaffen und ihrer Abschreckungswirkung keine Veranlassung hatte, Fragen, die in der aktuellen Russland-Ukraine-Krise aber eine Rolle spielen und beantwortet werden müssen:
Erstens die Frage, von welcher Intensität Aktivitäten eines Staates sein müssen, um als „Androhungen von Gewalt“ qualifiziert werden zu können?
Zweitens die Frage, auf wessen Standpunkt es für die Antwort auf die Frage ankommt, ob die Schwelle zur „Androhung“ überschritten worden ist oder nicht oder noch nicht?
Drittens die Frage, ob das Vorliegen einer „Androhung von Gewalt“ an die Einhaltung einer bestimmten Form gebunden ist oder ob unabhängig davon jedes Verhalten eines Staates in Betracht kommt, das von einem neutralen, unabhängigen Beobachter eindeutig als „Androhung von Gewalt“ zu verstehen ist?
In den folgenden Ausführungen wird auf der Grundlage des IGH-Gutachtens und der dem IGH folgenden internationalen Völkerrechtswissenschaft nachgewiesen, dass Russlands militärische Einkreisung der Ukraine eine Androhung von Gewalt im Sinne von Art. 2 Nr. 4 SVN darstellt, die entgegen der vom Außenministerium Russlands mit Verve vertretenen Ansicht mit dem Völkerrecht nicht zu vereinbaren ist.
Eine grundsätzliche Bemerkung zur im Weiteren verwendeten Völkerrechtsliteratur ist vorauszuschicken: Die Kommentierungen zum Begriff und Problem der „Androhung“ von Gewalt sind ausgesprochen dürftig.[47] Zur Erklärung wird von den Autoren auf drei Gründe hingewiesen und um Verständnis geworben: erstens, dass in den meisten praktisch gewordenen Fällen der Verletzung des allgemeinen Gewaltverbotes der Androhung mehr oder weniger schnell die völkerrechtswidrige Anwendung der Gewalt gefolgt sei und der Tatbestand der Androhung deswegen nicht (mehr) als solcher eine Rolle gespielt habe. Zweitens wird auf die Tatsache hingewiesen, dass bei mehr oder weniger massiven Konflikten zwischen Staaten die Völkerrechtspraxis nicht selten und bis zu einem gewissen Grade Androhungen von Gewalt ohne besondere Kritik oder gar Protest hinnehme, weil Drohungen sich immer wieder als taugliches Mittel erwiesen hätten, die streitenden Seiten an den Verhandlungstisch zu bringen und sich zu einigen. Und drittens wird einhellig die Rechtsansicht vertreten, dass eine nur verbale Androhung von Gewalt, sei ihr Ausdruck auch noch so scharf, in der Regel nicht gegen Art. 2 Nr. 4 SVN verstoße.
Die von Russland aufgebaute mächtige Drohkulisse hat das Potential, die „Androhung“ von Gewalt als gleichwertige Form der Verletzung des allgemeinen Gewaltverbotes neben der Gewaltanwendung mit ihren Besonderheiten als eigenständiges Problem des Völkerrechts in gebührender Weise bewusst zu machen, in den Blick zu nehmen und angemessen zu kommentieren.
Wie ausgeprägt die Einsilbigkeit und Sprachlosigkeit der Völkerrechtswissenschaft in Bezug auf das Problem namentlich in Deutschland, ja auch im ganzen deutschsprachigen Raum heute ist, bestätigt die gegenwärtige, von Russland ausgelöste NATO-Ukraine-Krise. Etwas aufgehellt wird das Bild lediglich durch einen Artikel, mit dem die Direktorin des Heidelberger Max-Planck-Institutes für Völkerrecht und ausländisches öffentliches Recht, Anne Peters, gegen den von Russland inszenierten Völkerrechtsbruch ihre Stimme erhob.[48] Daran, dass das in dem Konflikt gequälte Völkerrecht noch immer keine laute und vernehmliche Stimme erhalten hat, weder von den politischen Parteien und Institutionen noch von den Medien, hat sich nichts geändert,[49] obwohl die Bedrohlichkeit der Lage heute, drei Wochen später, mit Händen zu greifen ist, besonders seit der faktischen Blockade der Schwarzmeerküste der Ukraine durch die russländische Kriegsmarine und erst recht durch die fluchtartige Ausreise des Personals ausländischer Botschaften aus Kiew.
Die Kommentatoren des allgemeinen Gewaltverbots (Art. 2 Nr. 4 SVN) sind sich darin einig, dass die Qualifizierung eines gewissen staatlichen Verhaltens als „Androhung von Gewalt“ nicht an die Wahrung einer bestimmten Form gebunden ist. „Androhung von Gewalt“ ist vielmehr jedes staatliche Verhalten, das von einem oder mehreren anderen Staaten als eine gegen sich gerichtete akute In-Aussicht-Stellung der Anwendung militärischer Gewalt zur Durchsetzung von Forderungen und Zwecken aus objektiver Sicht erfahren werden muss, die im Widerspruch zu den Zielen und Prinzipien der Vereinten Nationen stehen.[50] Das schließt qualifizierte sowohl förmliche Akte der Bedrohung als auch sonstige Maßnahmen der Bedrohung durch sogenanntes konkludentes Handeln ein.[51]
Damit ist klargestellt, dass es bei der Einschätzung, ob staatliches Handeln „Androhung von Gewalt“ ist, nicht auf die subjektive Selbsteinschätzung des handelnden Staates ankommen kann und ankommt, sondern darauf, wie ein an dem Konflikt nicht beteiligter, neutraler Beobachter unter Berücksichtigung aller ihm zugänglichen Tatsachen das als „Androhung von Gewalt“ verdächtige Geschehen bei unvoreingenommener Betrachtung wahrnehmen und verstehen muss.
Schließlich liegt auf der Hand, dass unter den Begriff der „Androhung von Gewalt“ im Sinne von Art. 2 Nr. 4 SVN und damit unter die Feststellung, dass ein „Bruch des Friedens“ (breach of peace) im Sinne von Art. 39 der UNO-Charta vorliegt, nur ernste, schwerwiegende und akute staatliche „Drohgebärden“ gegenüber einem anderen Staat oder einer Staatengruppe fallen können.[52]
Bewertet man im Lichte dieser von der Praxis und der Wissenschaft aufgestellten Kriterien die Russland-Ukraine-NATO-Krise, dann drängt sich jedem unbeteiligten Außenstehenden die Feststellung geradezu auf, dass Russlands militärische Einkreisung der Ukraine aus objektiver Sicht die Intensität und Qualität der „Androhung von Gewalt“ im Sinne von Art. 2 Nr. 4 SVN besitzt. Anzuknüpfen ist an die Kommentierung von Anne Peters:[53] „Die Androhung kann auch nonverbal erfolgen, z.B. durch Truppenkonzentration an der Grenze. Um festzustellen, ob in diesen Fällen eine Androhung vorliegt, ist eine Gesamtbewertung aller Umstände (Hervorhebung O.L.) nötig.“ Sie ist nun vorzunehmen. Es ergibt sich folgende Indizienkette:
Erstens: Seit dem Sieg des „Euromajdan“ von 2014 über das sich an Russland anlehnende Janukovyč-Regime, also seit bald einem Jahrzehnt, ist die Ukraine in den vom Kreml gelenkten Staatsmedien Russlands, vor allem im Fernsehen, Objekt einer unablässigen antiukrainischen Propaganda. Bösartig, beleidigend, herabsetzend und hetzerisch bewirft sie alle nationale ukrainische Eigenständigkeit repräsentierenden Einrichtungen mit Schmutz: die auf Eigenständigkeit pochende ukrainische Nation, den ukrainischen Staat und seine Institutionen, die Präsidenten Porošenko und Zelenʼskyj, das Parlament und die darin vertretenen Parteien, die Justiz, die ukrainische Zivilgesellschaft, die ukrainische Wirtschaft und ihre Beziehungen zum Westen, kurzum: alle nationalukrainischen Erscheinungen unter Einschluss einer ukrainischen Nationalgeschichte.[54] Dem liegt als Grundschema die von Präsident Putin in seinem erwähnten Text vorgenommene Trennung zwischen dem eigentlichen, guten ukrainischen „Brudervolk“ und dem vom Westen beherrschten ukrainischen Staat und seinen Institutionen zugrunde. Den ukrainischen Nationalstaat und die ukrainische Nation hat der Kreml propagandistisch delegitimiert und zum Abschuss frei gegeben.
Dies ist die aggressive, drohend-einschüchternde mediale Kulisse in Russland, vor dem sich der Truppenaufmarsch an den Grenzen zur Ukraine seit Monaten vollzieht. Zweitens: Russlands Truppenaufmarsch an den Grenzen der Ukraine geht über alles weit hinaus, was in Europa nach dem Ende des Sowjetimperiums und des Kalten Krieges an militärischen Manövern stattgefunden hat, von welchen Mächten sie auch immer initiiert und durchgeführt wurden. Der russländische Truppenaufmarsch an den ukrainischen Grenzen ist präzedenzlos.
Drittens: Die Einkreisung der Ukraine, die flächenmäßig der größte Staat innerhalb Europas ist, ist zwar auf drei Seiten, den Osten, Norden und Süden des Landes beschränkt, da die Ukraine im Westen fast ausschließlich an EU- und NATO-Staaten – Polen, Slowakei, Ungarn, Moldova und Rumänien, grenzt, die von Russland nicht kontrolliert werden,[55] aber wegen der Größe der Ukraine erstrecken sich die russländischen Truppenbewegungen über Tausende Kilometer.
Die Einkreisung ist den Streitkräften Russlands dadurch ermöglicht worden, dass Belarus ihnen den Aufmarsch an seiner Südgrenze zur Ukraine gestattet hat, eine Entscheidung, die für die Ukraine besonders gefährlich und bedrohlich ist, weil die Hauptstadt Kiew nur zwischen 100 und 200 km von den Grenzbezirken entfernt ist.
Viertens: Darüber, welchen Zweck Russland mit diesen gewaltigen, ausschließlich gegen die Ukraine gerichteten Truppenbewegungen und Dislozierungen von Waffensystemen an den Grenzen zur Ukraine verfolgt, schweigt der Kreml. Er rechtfertigt die militärischen Maßnahmen mit dem rein formalen Argument, dass jeder Staat kraft seiner territorialen Hoheit berechtigt sei, auf seinem Staatsgebiet beliebige Truppenbewegungen vorzunehmen. Das ist zwar unbestritten, sagt aber nichts über den Zweck der Bewegungen in Grenznähe aus. Die Deklarierung einzelner Truppenkonzentrationen an den Grenzen zur Ukraine als „Manöver“ liefert jedenfalls keine einleuchtende Begründung dafür, weswegen Russland seine Truppen an der gesamten Grenze zur Ukraine und darüber hinaus zu derselben Zeit auch noch an der belarussisch-ukrainischen Grenze zusammengezogen hat[56].
Fünftens: Eine Schlüsselrolle bei der militärischen Einkreisung der Ukraine spielt der Aufmarsch der Kriegsmarine Russlands auf der Krim sowie im Raum des Asowschen Meeres östlich und in den sich in Richtung Odessa erstreckenden Seegebieten westlich der Krim. Sie wurden im Februar durch die Verlegung von Landungsbooten für Marineinfanterie und Panzerlandungsschiffen aus der Ostsee und dem Nordmeer in das Schwarze Meer zu Manövern im Seegebiet vor Odessa nachhaltig verstärkt.[57] Soweit es sich um die Einkreisung an der Südgrenze der Ukraine handelt, stellen jene Truppenbewegungen nicht nur eine „Androhung“ von Gewalt dar, sondern darüber hinaus auch eine „Anwendung von Gewalt“ im Sinne von Art. 2 Nr. 4 SVN, denn erstens finden die Militäraktionen widerrechtlich auf ukrainischem Staatsgebiet und in Seegebieten statt, die der Ukraine vom Seevölkerrecht zur Nutzung exklusiv zugewiesen sind, und zweitens perpetuieren und vertiefen die Aktionen die 2014 vollzogene völkerrechtswidrige Annexion der Krim und der Straße von Kertsch.
Sechstens: Die Zusammensetzung der an den Grenzen zur Ukraine bis Mitte Februar 2022 zusammengezogenen Truppenverbände, die aus Taktischen Bataillonskampfgruppen (BTG), integrierten Waffensystemen, Raketen- und Artillerie-Regimentern, sowie sie unterstützenden Spezialeinheiten (Sanitäter, Pioniere, Logistiker, Informatiker usw.) besteht, liefert das Militärtheoretikern und Generalstäblern vertraute Bild einer integrierten Invasionsarmee, deren Aufmarsch kurz vor dem Abschluss steht und die dann im Prinzip jeden Tag mit ihrem Einsatz an allen Grenzabschnitten entsprechend den ihnen erteilten Aufträgen beginnen kann.[58]
Siebtens: Einige sonstige Vorgänge sehr verschiedenen Charakters, die erfahrungsgemäß bei einer unmittelbar bevorstehenden militärischen Intervention als Vorsichtsmaßnahmen ergriffen werden, seien abschließend vermerkt, weil sie signalisieren, dass militärische Gewaltmaßnahmen und eine Invasion in die Ukraine drohen:
Die New York Times berichtete am 17. Januar 2022, dass seit Anfang des Jahres russländische Diplomaten der Konsulate Lemberg und Kiew mit ihren Familien, etwa 50 Personen, die Ukraine verlassen hätten und nach Russland zurückgekehrt seien und die diplomatischen Missionen dort mit Notbesetzungen arbeiteten.[59]
Am 24. Januar 2022 meldete die Tagesschau,[60] das US-Außenministerium habe angeordnet, dass die Familien der US-Diplomaten in der ukrainischen Hauptstadt Kiew das Land verlassen sollten. Grund dafür sei die „anhaltende Bedrohung durch eine russische Militäroperation“. Am 12. Februar zog das Auswärtige Amt nach und teilte mit, dass auch das Personal der deutschen Botschaft in Kiew bis auf eine Notbesetzung reduziert werde, und empfahl sonstigen in der Ukraine sich aufhaltenden Deutschen, im Interesse der Ukraine zu bleiben.
Am 8. Februar 2022 berichteten die Kieler Nachrichten und Hamburger Lokalzeitungen, dass Vladimir Putins private Luxus-Yacht „Graceful“ am Vortag „überstürzt“ den Hamburger Hafen verlassen habe und auf dem kürzesten Wege über den Nord-Ostsee-Kanal, Kiel und Rügen in Richtung Kaliningrad gefahren sei.[61] Die Yacht hatte zur Überholung in einem Dock der Hamburger Werft Blohm + Voss neben der Corvette „Emden“ gelegen, wo sie Journalisten aufgefallen war. Wie Fotos zeigen, waren die Arbeiten an der Yacht noch nicht abgeschlossen. Die Vermutung liegt folglich nahe, dass die vorzeitige Abfahrt aus Hamburg und die Heimkehr nach Russland die Yacht vor der Gefahr bewahren soll, von deutschen Behörden aufgrund möglicher US-amerikanischer, gegen Vladimir Putin persönlich gerichteter Sanktionen beschlagnahmt zu werden.
Am 9. Februar 2022 erklärte das Außenministerium Russlands, an der am 18. Februar beginnenden dreitägigen „Münchner Sicherheitskonferenz“ werde „aus verschiedenen Gründen“ keine russländische Delegation teilnehmen. Einen davon nannte das Ministerium, nämlich dass sich die Konferenz in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem „transatlantischen Forum gewandelt“ habe.[62]
Mitte Januar 2022 informierte die US-Regierung die Öffentlichkeit darüber, dass sie über Hinweise darauf verfüge, dass Russland auf Diversionsakte spezialisierte Gruppen auf Einsätze in der Ukraine vorbereite, um unter ukrainischer „Flagge“ Anschläge auf russländische Einrichtungen und Personen zu verüben, um dadurch, begleitet von einer wütenden Propagandakampagne, rechtfertigende Gründe für einen Einmarsch in die Ukraine zu liefern.[63]
Man kann zusammenfassen: Ob Präsident Putin den Befehl zur Invasion in die Ukraine geben wird, ist unbekannt, für die Antwort auf die juristische Frage, ob der Aufmarsch der Streitkräfte an den Grenzen der Ukraine eine „Androhung“ militärischer Gewalt darstellt, jedoch irrelevant. Entscheidend ist, dass die aufgelisteten Tatsachen eine Kette von Indizien liefern, die zu der klaren, unabweisbaren Feststellung und „Gesamtbewertung“ (Anne Peters) führen, dass Russland und Präsident Putin als Oberbefehlshaber der russländischen Streitkräfte der Ukraine die Anwendung von militärischer Gewalt „androht“.
Die Feststellung, dass Gewalt „angedroht“ wird, bedeutet allerdings noch nicht automatisch, dass die Androhung auch völkerrechtswidrig ist. Das ist gemäß Art. 2 Nr. 4 SVN nur dann der Fall, wenn „die Gewalt gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtet ist“, sowie nach der Rechtsprechung des IGH, wie oben zitiert, insbesondere dann zu bejahen, wenn die Gewalt angedroht wird, um „Gebiete von einem anderen Staat zu erlangen“, oder „um einen anderen Staat zu veranlassen, gewisse politische oder wirtschaftliche Wege zu beschreiten oder nicht zu beschreiten“.
Die zweite von Art. 2 Nr. 4 SVN aufgestellte Alternative trifft auf die von Russland angedrohte Anwendung militärischer Gewalt zu, denn sie richtet sich gegen die Ukraine primär mit dem Ziel, die USA und die NATO-Mitgliedstaaten dazu zu bringen, die von Russland am 17. Dezember 2021 mit den beiden Vertragsentwürfen erhobenen politischen Forderungen eines völkerrechtlich verbrieften Verzichts auf die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine und des vertraglich vereinbarten Rückbaus der NATO auf ihren Stand von 1997 zu erfüllen. Sollten die USA und die NATO-Staaten diese Hauptforderungen Russlands nicht erfüllen, dann würden, so die zwar nicht offen ausgesprochene, wohl aber unmissverständliche Drohung, Russlands Streitkräfte in die Ukraine einrücken, sie zumindest teilweise besetzen, die westlich orientierte, als russophob beschimpfte Regierung des Staatspräsidenten Volodymyr Zelenʼskyj stürzen, durch eine dem Kreml ergebene Regierung ersetzen und die Ukraine in den Hegemonialbereich Moskaus eingliedern.
Durch die mit der militärischen Einkreisung angedrohte Gewalt nimmt Präsident Putin als Oberbefehlshaber der russländischen Streitkräfte (Art. 87 Abs. 1 Verfassung RF) persönlich den souveränen Staat Ukraine als Geisel in seinem geopolitischen Machtkampf, den er seit seinem selbstbewussten und „den Westen“ massiv angreifenden Auftritt auf der „Münchner Sicherheitskonferenz“ 2007 führt und in dessen Zentrum die Ukraine steht. Er setzt ihrer Regierung gleichsam das Messer an die Kehle, um den Westen – die USA und die NATO-Mitgliedstaaten – zur Annahme seiner macht- und geopolitisch begründeten Forderungen zu veranlassen, nämlich in völkerrechtlich verbindlicher Form anzuerkennen und darin einzuwilligen, dass die Ukraine und auch die anderen ehemaligen Gliedrepubliken der Sowjetunion (mit Ausnahme der drei baltischen Republiken als EU- und NATO-Mitgliedstaaten) sich hinfort exklusiv im Macht- und Hegemonialbereich Russlands befinden, und zwar dadurch, dass es ihnen versagt sein soll, sowohl multilateral als auch bilateral militärische Kooperationen im weitesten Sinne mit dem Westen einzugehen.
Beide Alternativen, die in der von Russland angedrohten Gewalt beschlossen liegen, verstoßen offenkundig gegen Art. 2 Nr. 4 SVN:
Erstens besitzt die Ukraine als ein gleichberechtigter Mitgliedstaat der Vereinten Nationen, der sogar – im Unterschied zu Russland[64] zu den Gründungsmitgliedern der UNO (24. Oktober 1945) gehört, das aus ihrer Souveränität fließende Recht, frei darüber zu entscheiden, ob sie sich einer internationalen, sei es einer politischen, ökonomischen oder auch einer militärischen Organisation als Mitglied anschließt (oder nicht).[65] Nichts anderes gilt für die USA und alle anderen NATO-Mitgliedstaaten. Mit seiner Androhung militärischer Gewalt gegenüber der Ukraine, falls die USA und die NATO-Mitgliedstaaten die ultimativen Forderungen bzw. die vom Kreml definierten geopolitischen Sicherheitsinteressen Russlands nicht akzeptieren und durch den Abschluss völkerrechtlicher Verträge nicht befriedigen sollten, verletzt Russland das Prinzip der souveränen Gleichheit der Staaten (Art. 2 Nr. 1 SVN). Der von der Friendly Relations Declaration[66] zum Schutz der staatlichen Souveränität gegen Angriffe und Eingriffe von außen als „Teilprinzip“ normierte Aspekt, nämlich die „Unverletzlichkeit der territorialen Integrität und der politischen Unabhängigkeit des Staates“ (lit. d), steht den Forderungen Russlands definitiv entgegen. Jeder Staat – die Ukraine ebenso wie Russland – kann frei, ohne sich einem Zwang von außen beugen zu müssen, für den Beitritt zu einer Allianz von Staaten entscheiden. Das ist ohne Einschränkungen auch der Standpunkt der russländischen Völkerrechtslehre.[67] Bis zu seiner 2007 vollzogenen geopolitischen Kehrtwende hat ihn auch der Kreml vertreten.[68] Der damalige Verteidigungsminister Sergej Ivanov erklärte am 9. Februar 2006 in einem Interview mit der italienischen Zeitung La Stampa, dass die Ukraine selbstverständlich das Recht habe, sich der NATO anzuschließen, gab allerdings zu bedenken, dass „das Bemühen, einen abrupten und kaum gerechtfertigten Wechsel zu westlichen Werten [sic!; O.L.], zu einem ernsten, destabilisierenden Faktor werden könnte, in erster Linie für die Ukraine selbst.“ [69] Der entlarvende Satz ging „offensichtlich auf den Schock zurück, den die „Orange Revolution“ in der Ukraine [2004; O.L.] bei der Moskauer Führung auslöste“. Der „Schock“, dem 2014 mit dem „Majdan 2“ in Kiew und 2020 mit der revolutionären Protestbewegung[70] in Belarus noch massivere folgten, ist bis heute einer der Hauptgründe dafür, dass Präsident Putin die nun in ihre entscheidende Phase eingetretene und gezielt gegen die NATO gerichtete sogenannte „Ukraine-Krise“ herbeigeführt hat.[71]
Zweitens: Die Völkerrechtswidrigkeit der Androhung von Gewalt würde entfallen, wenn Russland die Gewaltanwendung mit völkerrechtlich anerkannten Gründen rechtfertigen könnte. Für die unmittelbar gegen die Ukraine gerichtete Androhung von Gewalt durch ihre seit Herbst 2021 zwar mit Pausen, insgesamt aber systematisch und qualifiziert vollzogene militärische Einkreisung kann Russland aus dem Blickwinkel des Völkerrechts überzeugende Rechtfertigungsgründe jedoch nicht geltend machen. Die Vorwürfe, die Russland zur Begründung und Rechtfertigung seines Truppenaufmarsches ins Feld führt, sind teils an den Haaren herbeigezogen, teils unbegründet und leicht zu widerlegen, teils überhaupt ohne rechtliche Bedeutung.
Es sind im Kern vier Vorwürfe, mit denen Russland seinen Truppenaufmarsch und, nicht immer klar davon getrennt, seine Forderungen an den Westen rechtfertigt, völkerrechtlich verbindlich auf militärische Aktionen jeglicher Art und insbesondere auf militärische Kooperationen im Raum der untergegangenen Sowjetunion zu verzichten.
- Russlands Recht, die „Volksrepubliken“ des Donbass gegen eine militärische Aggression der Ukraine zu schützen;
- die Ukraine daran zu hindern, die im „Normandie-Format“ im Februar 2015 beschlossenen „Minsker Vereinbarungen“ zu „demontieren“ bzw. die Ukraine zu zwingen, sie einzuhalten;
- die NATO an ihren Versuchen zu hindern, sich „ukrainisches Territorium anzueignen“ und
- die NATO-Staaten daran zu hindern, ihr „militärisches Potential an den Grenzen zu Russland zu erhöhen“.
zu 1: Im Vordergrund steht der Schutz der Volksrepubliken im Donbass.
Russlands wirft hier der Ukraine vor, erstens den Donbass zurückerobern zu wollen und zweitens die „Minsker Vereinbarungen“ zu verletzen.
Beide Behauptungen sind in der Sache unzutreffend. Selbst wenn sie aber zutreffend sein sollten, würde die Ukraine mit dem von Russland behaupteten Verhalten nicht gegen Völkerrecht verstoßen.[72] Als Erstes ist festzustellen, dass die Rayone, auf deren Territorien die „Volksrepubliken“ Doneck und Lugansk bestehen, von den Minsker Vereinbarungen als Staatsgebiet der Ukraine anerkannt sind. Zweitens ist festzustellen, dass die Minsker Vereinbarungen die Bildung von staatlichen Gebilden und damit auch von „Volksrepubliken“ nicht vorsehen. Drittens ist festzustellen, dass die „Volksrepubliken“ von Russland geschaffene und völlig von Russland abhängige „Marionetten-Regime“ sind und deswegen nicht den beschränkten völkerrechtlichen Status von „de-facto-Staaten“ genießen.[73]
Die Behauptung Russlands, die Ukraine wolle die Rayone, auf denen die separatistischen Gebiete bestehen, erobern, stützt sich darauf, dass die Ukraine Streitkräfte an der Kontaktlinie zu den Separatisten disloziert hat. Es ist folglich eine bewertende Unterstellung. Die Dislozierung beruht vor allem darauf, dass die Separatisten noch nach den Waffenstillstandsvereinbarungen von „Minsk“ die Kontaktlinie gewaltsam zu ihren Gunsten verschoben haben. Selbst wenn aber die ukrainischen Streitkräfte die Absicht haben sollten, die volle Kontrolle der Ukraine über die Separatistengebiete bis an die Staatsgrenze zu Russland gewaltsam wiederherzustellen, läge darin kein Verstoß gegen das Völkerrecht, denn als souveräner Staat wäre die Ukraine berechtigt, ihre territoriale Integrität notfalls auch mit militärischer Gewalt gegenüber separatistischen Freischärlern durchzusetzen.
Mit ihrem Standpunkt, militärisches Vorgehen der ukrainischen Zentralregierung gegen die Separatisten im Donbass sei Aggression und unzulässig, setzt sich die Regierung Russlands in einen offenkundigen Widerspruch zu ihrem eigenen Vorgehen gegen das Bestreben der Republik Tschetschenien, sich nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion von Russland abzuspalten.[74] In zwei mit äußerster Härte geführten Kriegen (1994–2003) hat Russland den Unabhängigkeitskampf des tschetschenischen Volkes in Blut erstickt. Das Verfassungsgericht Russlands entschied noch während des ersten Tschetschenienkrieges (1995), dass die gewaltsame Unterdrückung des separatistischen Unabhängigkeitsstrebens Tschetscheniens der Verfassung Russlands nicht widerspreche und auch mit dem Völkerrecht vereinbar sei,[75] obwohl die Tschetschenen unzweifelhaft ein eigenes Ethnos im Sinne des völkerrechtlichen Selbstbestimmungsrechts sind, über eine eigene, nationale Republik verfügen und in der Stalin-Ära das unschuldige Opfer einer genozidalen Verfolgung mit schwersten Verlusten an Menschen und Vermögenswerten waren. Über ein vergleichbares Profil verfügt die in den separatistischen Rayonen des ukrainischen Donbass lebende Bevölkerung unzweifelhaft nicht, weder ethnisch noch administrativ, und sie ist zu keinem Zeitpunkt von der ukrainischen Zentralregierung zum Objekt willkürlicher, unrechtmäßiger Gewaltanwendung gemacht worden. Die Wahrnehmung des gleichen Rechts kann der Kreml der Ukraine selbstverständlich nicht versagen.
zu 2: Unbegründet ist auch der Vorwurf Russlands,[76] die Ukraine versuche, durch hartnäckige widerrechtliche Nichterfüllung die „Minsker Vereinbarungen“ zu torpedieren. Zunächst ist festzustellen, dass die Ukraine das Minsker „Protokoll“ vom 5. September 2014, das der (zweiten) Minsker Vereinbarung vom 12. Februar 2015 zugrunde liegt, vollauf erfüllt hat, während sich die Separatisten mit Unterstützung Russlands nicht daran gehalten haben, insbesondere nicht an den für die Lokalwahlen im Donbass vorgesehenen Termin und die Regelungen.[77] „Minsk plus“ vom 12. Februar 2015, das auf Betreiben von Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine („im sogenannten Normandieformat“) zustande kam, ist dadurch erzwungen worden, dass die Separatisten mit Unterstützung regulärer russländischer Truppen ihren Machtbereich im Donbass gegenüber den damals noch sehr schwachen ukrainischen Streitkräften substantiell erweitern konnten. Der an die Adresse der Ukraine gerichtete Vorwurf, sie erfülle nicht ihre Verpflichtungen aus den „Minsk Plus“-Vereinbarungen, ist nur zu einem kleinen Teil berechtigt. Unberechtigt ist die Rüge, Kiew verhandele nicht mit den Separatisten, denn die ukrainische Regierung verhandelt unter der Ägide der OSZE in den Arbeitsgruppen „Politik“, „Wirtschaft“ usw., in denen die Separatisten gleichberechtigt mit am Tisch sitzen. Das reicht aus. Unberechtigt ist ferner der Vorwurf, der ukrainische Gesetzgeber habe eine vereinbarte Statusregelung zugunsten der separatistischen Rayone nicht in die ukrainische Verfassung aufgenommen. Tatsächlich ist die verlangte Regelung in den „Übergangsbestimmungen“ eines Gesetzes zur Änderung der Verfassung aufgenommen worden und damit, juristisch gesehen, vollwertig erfüllt worden. Nicht bereit ist die ukrainische Regierung hingegen, Lokalwahlen in den separatistischen Rayonen abzuhalten, bevor nicht die volle Kontrolle der ukrainisch-russländischen Grenze im Donbass, sei es von Seiten der Ukraine oder sei es von Seiten einer internationalen Organisation, wiederhergestellt ist. Denn da „Minsk-Plus“ bestimmt, dass jene Wahlen die OSZE-Wahlrechtsstandards erfüllen müssen, ist es unmöglich, sie unter ausschließlicher Kontrolle der separatistischen Führungen (und Russlands) stattfinden zu lassen, denn der OSZE-Standard wäre dann nicht garantiert. Die Weigerung der ukrainischen Seite, die Durchführung der Lokalwahlen in den Separatisten-Rayonen den „Volksrepubliken“ zu überlassen, ist daher wohl begründet, und das umso mehr, als „Minsk-Plus“ ausdrücklich vorsieht, dass der Ukraine die Kontrolle über ihre Grenze zu Russland wieder einzuräumen ist.
zu 3: Den Vorwurf, die NATO unternehme gefährliche Versuche, sich ukrainisches Territorium „anzueignen“, erhob Präsident Putin in seinem erwähnten Text. Die betreffende Passage lautet:
„In der ukrainischen Gesellschaft wird ein Klima der Angst geschürt, es wird eine aggressive Rhetorik gepflegt, man lässt Neonazis gewähren, die Militarisierung des Landes schreitet voran. Damit einher geht nicht nur eine völlige Abhängigkeit, sondern auch eine direkte Steuerung von außen, einschließlich der Überwachung der ukrainischen Staatsorgane, Dienste und Streitkräfte durch ausländische Berater, eine militärische „Aneignung“ des Territoriums der Ukraine und Ausbau der NATO-Infrastruktur.“[78]
Die Vorwürfe gehören offenkundig dem Genre politischer Polemik an. Ohne irgendeinen konkreten Bezug auf greifbare Tatsachen sind sie mit ihrer maßlosen Übertreibung, Pauschalität und Allgemeinheit nicht mehr als antiukrainische Propaganda. Rechtliche Relevanz haben sie nicht.
zu 4: Ziel ist es, die NATO-Staaten daran zu hindern, ihr „militärisches Potential an den Grenzen zu Russland zu erhöhen“.
Bei diesem Punkt geht es offenkundig um die drei Hauptforderungen, die Russland mit seinen am 17. Dezember 2021 dem Westen im Entwurf vorgelegten Verträgen durchsetzen möchte. Der Kreml stützt, wie die folgende Erklärung Außenminister Lavrovs zeigt, ihre Legitimität auf angebliche OSZE-Verpflichtungen:
„2010 in Astana und zuvor 1999 in Istanbul hatten alle Präsidenten und Ministerpräsidenten der OSZE-Länder ein ganzes Paket von Dokumenten unterzeichnet, in dem wechselseitig miteinander verbundene Prinzipien der Gewährleistung der Unteilbarkeit der Sicherheit enthalten sind. Der Westen reißt aus diesem Paket nur einen Slogan heraus, dass jedes Land das Recht habe, sich seine Bündnispartner und militärischen Allianzen auszusuchen. Aber dieses Recht ist an die Bedingung und die Verpflichtung jedes Landes geknüpft, die auch die Vertreter des Westens unterschrieben haben: seine Sicherheit nicht auf Kosten der Sicherheit anderer zu stärken. In seinen Beschwörungsformeln, dass die Politik der offenen Tür der NATO heilig sei und niemand der Ukraine verbieten dürfe, der Allianz beizutreten, weil das die Ukraine entscheiden werde, vermeidet der Westen absichtlich und offen sogar die Bezugnahme auf den zweiten Teil der Verpflichtungen. Mehr noch, wenn sowohl Josep Borrell als auch Antony Blinken sowie viele andere unsere Kollegen von der Notwendigkeit reden, die abgestimmten Prinzipien im Kontext der euroatlantischen Sicherheitsarchitektur zu folgen, erwähnt niemand von ihnen die Erklärungen von Istanbul noch von Astana.“[79]
Der in Außenminister Lavrovs Positionsbeschreibung entscheidende Begriff und Gedanke ist die Wechselseitigkeit und Unteilbarkeit der Sicherheit. Die konzeptionelle Schwäche, ja der Fehler seiner Position liegt ganz offenkundig darin, dass er von vornherein – wie in den Zeiten des Ost-West-Konfliktes und des Kalten Krieges – in zwei Lagern denkt: hie Russland, dort der euro-atlantische Westen. Länder wie die Ukraine oder andere Nachbarn der EU fallen aus diesem Schema heraus. Aber auch für sie gilt – selbstverständlich – das Prinzip der Unteilbarkeit und Wechselseitigkeit. Lavrov beschränkt dessen Geltung aber sichtlich allein auf das Verhältnis zwischen Russland und dem Westen. Die legitimen Sicherheitsinteressen der Ukraine im Verhältnis zu Russland kommen so von vornherein nicht in seinen Blick.
Ein grundsätzlicher juristischer, völkerrechtlicher Einwand tritt hinzu: die von Außenminister Lavrov beschworenen „Deklarationen“ der OSZE-Gipfeltreffen von Astana und Istanbul sind lediglich politische Dokumente und keine rechtlich bindenden Verträge oder Beschlüsse. Ihre Befolgung ist freiwillig, abhängig vom guten Willen der beteiligten Staaten. Als „Deklarationen“, die – bestenfalls sogenanntes „Soft law“ sind, können sie nicht die Geltungskraft von Prinzipien einschränken, die kraft der UNO-Charta geltendes Völkerrecht sind wie die „souveräne Gleichheit der Staaten“ (Art. 2 Nr. 1 SVN) oder das „allgemeine Gewaltverbot“ (Art. 2 Nr. 4 SVN).
Der Vorwurf Außenminister Lavrovs an die Adresse des „Westens“ und seine Klage darüber, dass der Westen jene OSZE-Deklarationen nicht wie das russländische Außenministerium interpretiert, sie nicht als verbindliches Völkerrecht behandelt und sich ihnen nicht unterwirft, ist aus der Sicht der politischen Sicherheitsinteressen Russlands zwar verständlich, in völkerrechtlicher Hinsicht aber irrelevant. Russland kann daraus jedenfalls keine Rechte herleiten, und ihre Nichtbeachtung kann keine rechtlichen Folgen haben oder Sanktionen rechtfertigen.
Der Kreml weiß das natürlich, und weil er sich dessen sehr bewusst ist, legt er so besonderen, großen Wert darauf, dass die in den Vertragsentwürfen vom 17. Dezember 2021 formulierten Forderungen Russlands verbindliches zwei- und mehrseitiges Völkervertragsrecht werden.
Schluss
Die militärische Einkreisung der Ukraine stellt ein Androhung von Gewalt im Sinne von Art. 2 Nr. 4 SVN dar. Zweck der Gewaltandrohung ist es, die USA und die NATO-Mitgliedstaaten dazu zu veranlassen, Verträge abzuschließen, mit denen sie erstens auf eine weitere Ausdehnung der NATO in den postsowjetischen Raum verbindlich verzichten, zweitens alle militärischen Kooperationen und sonstigen militärischen Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen für die aus der UdSSR hervorgegangenen Staaten (mit Ausnahme der drei baltischen NATO- und EU-Staaten) unterlassen und drittens die NATO auf den Stand des Abschlusses der NATO-Russland-Grundakte vom Mai 1997 reduzieren. Opfer der Gewaltanwendung, die angedroht wird, ist die Ukraine.
Durch die Androhung, militärische Gewalt gegen die Ukraine anzuwenden, wenn der Westen die ihm von Russland vorgeschlagenen Verträge nicht abschließt, macht Russland die Ukraine zur Geisel, um seine geopolitischen Macht- und Sicherheitsinteressen im postsowjetischen Raum gegenüber der NATO durchzusetzen.
Russland kann sich auf keine Gründe berufen, welche die Androhung von Gewalt durch die militärische Einkreisung der Ukraine rechtfertigen könnten. Die Androhung der Anwendung militärischer Gewalt, d.h. die Einkreisung der Ukraine durch die Streitkräfte Russlands verletzt das Völkerrecht (Art. 2 Nr. 4 SVN). Festzustellen ist außerdem ein Bruch des Friedens (Art. 39 SVN), was den UN-Sicherheitsrat berechtigen würde, Maßnahmen wegen der Verletzung des allgemeinen Gewaltverbots zu ergreifen.
Politischer Zweck der von Präsident Putin planmäßig herbeigeführten Russland-NATO-Ukraine-Krise ist es, durch den vertraglich fixierten Ausschluss einer weiteren NATO-Osterweiterung die früheren Unionsrepubliken der UdSSR, die nach dem Untergang der Sowjetunion unabhängige Staaten geworden sind, vor allem die Ukraine und Belarus, aber ausgenommen die in die NATO aufgenommenen drei baltischen Staaten, zur exklusiven Macht- und Sicherheitssphäre Russlands zu machen.
Manuskript abgeschlossen am 15.2.2022
[1] Otto Luchterhandt: Gedanken zu Präsident Putins Verfassungs-Coup von 2020, in: Deutsch-Russische Rechtszeitschrift (DRRZ), 2/2020, S. 138‒45.
[2] Zum Attentat Jan Matti Dollbaum, Morvan Lallouet, Ben Noble: Nawalny. Seine Ziele, seine Gegner, seine Zukunft. Hamburg 2021, hier 7–15. – Zum Nachweise der strafrechtlichen Verantwortlichkeit Vladimir Putins: Otto Luchterhandt: Russlands Rückkehr zur Autokratie. Verfassung, Recht und Rechtskultur in der Ära „Putin“, in: Jahrbuch der Braunschweigischen Wissenschaftlichen Gesellschaft (BWG) 2020, Göttingen 2021, S. 231‒294 (283‒286).
[3] Art. 5 Abs. 2 des Rom-Statuts des Internationalen Strafgerichtshofes von 1998, auf dessen Problematik in der Abhandlung nicht näher eingegangen wird.
[4] Frankfurter Allgemeine Zeitung, 8.4.2021, S. 5.
[5] Hinter Putins Säbelrasseln stecken politische Ziele. Neue Zürcher Zeitung, 9.4.2021.
[6] Andreas Rüesch: Die Ukraine in der Zange. Russische Truppen rücken im Norden vor. NZZ, 11.2.2022, S. 3. Rüesch hebt die neue Qualität des russländischen Truppenaufmarsches in Belarus hervor. Durch ihn werde die Hauptstadt der Ukraine unmittelbar und massiv bedroht. Andreas Rüesch: Nach den Waffen kommen nun die Truppen. Der russische Aufmarsch ist in eine neue Phase getreten. NZZ, 5.2.2022. – Andreas Rüesch, Forrest Rogers: Kreml beschleunigt Truppenaufmarsch. NZZ, 1.2.2022.
[7] Statʼja Vladimira Putina „Ob istoričeskom edinstve russkich i ukraincev“, <http://kremlin.ru/events/president/news/66181>. – Vladimir Putin: Über die historische Einheit der Russen und der Ukrainer, in: Osteuropa, 7/2021, S. 51‒66, hier S. 61f., 63f. – Zur Analyse des aus zwei „Schichten“ bestehenden Essays: Andreas Kappeler: Revisionismus und Drohungen. Vladimir Putins Text zur Einheit von Russen und Ukrainern, in: ebd., S. 67‒76. ‒ Jan C. Behrends: Putins negative Ukrainepolitik, in: ebd., S. 77‒84.
[8] Friedrich Schmidt: Der historische Putin FAZ, 20.7.2021, S. 8, kommentiert prägnant und zutreffend: Der […] Artikel spricht einer eigenständigen Ukraine das Existenzrecht ab.
[9] Friedrich Schmidt, Reinhard Veser: Wir sind doch ein Volk! FAZ, 14.7.2021, S. 3
[10] Putin, Über die historische Einheit [Fn. 7], S. 64.
[11] Gemäß Art. 1 der Föderalverfassung von 1993 ist der Staatsname Russlands neben „Russländische Föderation“ gleichberechtigt auch „Rossija“, der die geschichtliche Dimension der russischen Staatlichkeit einbezieht. Otto Luchterhandt: Kommentierung des Art. 1 Rdn. 2 bei Bernd Wieser (Hg.): Handbuch der Russischen Verfassung. Wien 2014, S. 30.
[12] Deutsche Übersetzung des revidierten Verfassungstextes bei Rainer Wedde (Hg.): Die Reform der russischen Verfassung. Berlin 2020, S. 179‒239, hier S. 197.
[13] Zur Geschichtspolitik des Kreml: Susan Stewart: Geschichte als Instrument der Innen- und Außenpolitik am Beispiel Russlands. Berlin 2020 [= SWP-Studie 22]
[14] Behrends, Putins negative Ukrainepolitik [Fn. 7], S. 80f.
[15] Die Übersetzung von „obustroitʼ“ ist schwierig, weil Solʼženicyn es neu gebildet hat. Die Vorsilbe „оb“ bedeutet eine nachhaltige Verstärkung des Verbs „ustroitʼ“: erbauen, errichten. Wörtlich heißt der Titel „Wie können wir Russland kräftiger aufbauen? Vertiefte Überlegungen“ Solʼženicyn wollte sich damit in die Diskussion über eine neue Verfassung Russlands einschalten, die seit der Gründung der Verfassungskommission der RSFSR am 16. Juni 1990 unter dem Vorsitz Boris Elʼcins die Öffentlichkeit stark beschäftigte. Solʼženicyns Ideen spielten in der Kommissionsarbeit aber keine Rolle. Der Text erschien als Beilage zu Russkaja Myslʼ, (Paris), 21.9.1990. Auf Deutsch wurde es unter dem Titel „Rußlands Weg aus der Krise. Ein Manifest“. München 1990, publiziert.
[16] Alexander Solschenizyn: Russlands Weg aus der Krise. Ein Manifest. München 1990, S. 14. Kursive Hervorhebung im Original.
[17] Wladimir Putin besucht Alexander Solschenizyn. Die Welt, 22.9.2000.
[18] Ulrich Schmid: Die Freiheit des Wortes. Der Gulag als Grenzerfahrung. NZZ, 5.8.2008.
[19] Andrej Kolesnikov: Aleksandr Solʼženicyn prinjal Vladimira Putina. Kommersant”, 13.6.2007, S. 6.
[20] Ulrich Schmid: „Lebt nicht mit der Lüge!“. NZZ, 11.2.2018, S. 21.
[21] Gerald Hosp: Der letzte Prophet. NZZ, 6.8.2008, S. 25. Putin nahm damals als Ministerpräsident am offenen Sarg von Solʼženicyn Abschied.
[22] Ukaz, 27.6.2014, Sobranie Zakonodatelʼstva Rossijskoj Federacii 2014, Nr. 26, Pos. 3542.
[23] V Moskve otkryt pamjatnik Aleksandru Solʼženicynu, <http://kremlin.ru/events/president/news/59371>.
[24] Äußerungen bei dem Treffen mit Vertreterinnen der Öffentlichkeit am 6.3.2020, zitiert nach: Otto Luchterhandt: Präsident Putins Verfassungsänderungsvorschläge: Vorbereitung des letzten Umbaus seines Regimes, in: Jahrbuch für Ostrecht, 2020, S. 13‒53, S. 34.
[25] Ein gefährliches Spiel. FAZ, 25.6.2021, S. 2. ‒ Zwischenfall mit britischem Kriegsschiff im Schwarzen Meer. NZZ, 25.6.2021, S. 2. ‒ Niederlande werfen Russland Scheinangriff auf Fregatte vor. FAZ, 1.7.2021, S. 5. ‒ Der Provokateur im Schwarzen Meer. NZZ, 5.7.2021, S. 17.
[26] Gerhard Gnauck: Kein Wasser für die Krim. FAZ, 8.5.2021, S. 3. (unter Berufung auf Wilfried Jilge).
[27] Otto Luchterhandt: Gegen das Völkerrecht. Die Eskalation des Konflikts im Asowschen Meer, in: Osteuropa, 1/2019, S. 3‒21.
[28] Siehe den Überblick des Militärexperten Pavel Felʼgengauer: Marsch nach Westen. Ein riskantes Spiel: Russlands Truppenübungen, in: Osteuropa, 7/2021, S. 9‒13.
[29] Thomas Gutschker: Was führt Wladimir Putin im Schilde? FAZ, 30.11.2021, S. 3. ‒ Ders.: Von drei Seiten umstellt. FAZ, 24.1.2022, S. 3.
[30] Vstreča s Presidentom SŠA Džozefom Bajdenom, <http://kremlin.ru/events/president/news/67315>.
[31] Treaty between The United States of America and the Russian Federation on security guarantees, 12.12.2021, <https://mid.ru/ru/foreign_policy/rso/nato/1790818/?lang=en>.
[32] Soglašenie o merach obespečenija bezopasnosti Rossijskoj Federacii i gosudarstv-členov Organizacii Severoatlantičeskogo dogovora, 17.12.2021, <https://mid.ru/ru/foreign_policy/rso/nato/1790803/>.
[33] Was Russland bei den Gesprächen mit dem Westen erreichen will. FAZ, 10.1.2022, S. 10.
[34] Die Besorgnis der ukrainischen Bevölkerung ist groß, hat aber selbst in den grenznahen Gebieten zu Russland nicht zu Panik und Fluchtbewegungen geführt. Thomas Franke: In Alarmbereitschaft, in: Das Parlament, 3‒4/2022, S. 12. ‒ Gerhard Gnauck: Sie werden sich verteidigen. FAZ, 25.1.2022, S. 3. ‒ Konrad Schuller: Geschichten aus dem Vorkrieg. Die ukrainische Landbrücke zwischen Mariupol und der Krim. Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 19.12.2021, S. 2/3. ‒ Serhij Zhadan: Wenn man lange vom Krieg spricht. FAZ, 22.1.2022, S. 13. – Die im weiteren Verlauf gebrachten Belege beschränken sich auf deutschsprachige Medien.
[35] <www.bundesregierung.de/breg-de/service/bulletin/rede-von-bundeskanzler-olaf-scholz-1996318>. Hervorhebung von O.L.
[36] <www.bundesregierung.de/breg-de/service/bulletin/rede-der-bundesministerin-des-auswaertigen-annalena-baerbock--1996328>.
[37] Ebd.
[38] Resolution Nr. 2625, Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations, <https://legal.un.org/avl/ha/dpilfrcscun/dpilfrcscun.html>.
[39] Resolution Nr. 3314, <http://un-documents.net/a29r3314.htm>.
[40] So die Übersetzung des Art. 39 SVN in der von Christian Tomuschat herausgegebenen Textausgabe zum Völkerrecht. Baden-Baden 32005, S. 13.
[41] Otto Luchterhandt: Der Anschluss der Krim an Russland aus völkerrechtlicher Sicht, in: Archiv des Völkerrechts, 2/2014, S. 137‒174. ‒ Ders.: Die Krim-Krise von 2014. Staats- und völkerrechtliche Aspekte, in: Osteuropa, 5/2014, S. 61‒86,
[42] Otto Luchterhandt: Gegen das Völkerrecht. Die Eskalation des Konflikts im Asowschen Meer, in: Osteuropa, 1/2019, S. 3‒21.
[43] Dazu die hochqualifizierte Berichterstattung unabhängiger ukrainischer und russischer investigativer Militärexperten wie der „Hybrid Warfare Analytical Group“ <https:/uacrisis.org/en/hwag> sowie <www.blackseanews.net/en>.
[44] Zur Rechtslage der betreffenden Meeresgebiete und insbesondere zum Küstenmeer und zur ukrainischen ausschließlichen Wirtschaftszone gemäß Seevölkerrecht Tetiana Parashchych: Die Ukraine als Anrainerstaat des Schwarzen Meeres. Rechtliche Regelungen der Meerespolitik und aktuelle Probleme im Wassergebiet Asow-Kertsch, in: Jahrbuch für Ostrecht, 2020, S. 55‒75, 62ff., 66ff.
[45] Anne Peters: Russland verletzt schon jetzt das Völkerrecht. FAZ, 27.1.2022.
[46] ICJ Report 1996, p. 226ff, para. 47: Legality of the Threat or Use of Nuclear Weapons, Advisory Opinion of 8 July 1996, <www.icj-cij.org/public/files/case-related/95/095-19960708-ADV-01-00-EN.pdf>.
[47] Knut Ipsen (Hg.): Völkerrecht. München 72018, S. 1138ff., (Wolff Heintschel v. Heinegg). Zur „Androhung von Gewalt“ Rdn. 25ff., S. 1142. ‒ Bruno Simma (Hg.): The Charter of the United Nations. A Commentary. München 1994, Kommentar zu Art. 2 Nr. 4 (Albrecht Randelzhofer), S. 106ff., Rdn. 36, S. 118. ‒ Thorsten Stein, Christian v. Buttlar: Völkerrecht. München 132012, S. 279f., Rdn. 779. ‒ Theodor Schweisfurth: Völkerrecht. Tübingen 2006, S. 350ff. ‒ Knut Ipsen: Völkerrecht. München 62014, S. 173ff. (Volker Epping). ‒ Matthias Herdegen: Völkerrecht. München 202021, S. 279f. ‒ Wolfgang Graf Vitzthum, Alexander Proelß: Völkerrecht. Berlin 72016, S. 16f. (Michael Bothe). ‒ Malcolm N. Shaw: International Law. Cambridge 72014, S. 814ff. ‒ Jean Combacau, Serge Sur: Droit International Public. Paris 92010, S. 622ff., 629f. – Die russische Völkerrechtsliteratur weicht davon nicht ab. A.N. Vylegžanin (Red.): Meždunarodnoe pravo. Učebnik. Moskva 2010, S. 104f. ‒ A.A. Kovalev, S.V. Černičenko (Red.): Meždunarodnoe pravo. Učebnik. Moskva 2011, S. 65f. ‒ G.V. Ignatenko, O.I. Tiunov (Red.): Meždunarodnoe pravo. Učebnik. Moskva 52009, S. 159f. ‒ I.V. Getʼman-Pavlova: Meždunarodnoe pravo. Učebnik. Moskva 2006, S. 50f.
[48] Anne Peters: Russland verletzt schon jetzt das Völkerrecht. FAZ. 27.1.2022. Zu dem Artikel hatte der Verfasser Frau Peters mit dem folgenden Brief vom 25.1.2022 angeregt: „Ich bin tief erschüttert über das völlige Schweigen unserer Völkerrechtler, das inzwischen so laut dröhnt, dass es die schreiende Verletzung des bedeutendsten Prinzips des Völkerrechts – das allgemeine Gewaltverbot – durch Russland übertönt, und das mitten in Europa! Was ist in unserem Lande, was ist bei den Heerscharen von Völkerrechtlern, die an deutschen Hochschulen forschen und unterrichten, los, dass keiner, geschweige denn eine Gruppe von ihnen, seine Stimme gegen das erhebt, was seit Wochen offenkundig ist: die Bedrohung der Ukraine, eines Mitgliedstaates des Europarates, mit übermächtiger militärischer Gewalt? Der gewaltige Aufmarsch der Streitkräfte Russlands an der Ostgrenze der Ukraine, an ihrer Südgrenze (inzwischen auch westlich der Krim im Golf von Odessa!) und nun auch an ihrer Nordgrenze in Belarus bezieht alle Waffengattungen ein und wird sogar noch durch auf der Krim und im nördlichen Ostpreußen dislozierte Atomwaffen unterstützt. Das geschieht durch einen Staat, der als ständiges Mitglied des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen die in der UNO-Charta deklarierten Grundprinzipien des Völkerrechts nicht verletzten, sondern im Gegenteil einhalten müsste, und das vorbildlich! Sind die deutschen Völkerrechtler inzwischen schon so sehr von ,realpolitischem‘ Denken beherrscht, dass sie das Verbot bereits der Drohung mit Gewalt aus den Augen verloren haben?“
[49] Als einen typischen Beleg hierfür wird man den Aufsatz „Putin und das Völkerrecht“ aus der Feder des Wiener Völkerrechtlers Ralph Janik ansehen können. Er bringt das Kunststück fertig, sich ausführlich mit der möglichen Völkerrechtswidrigkeit eines Angriffs Russlands auf die Ukraine zu befassen, aber die Völkerrechtswidrigkeit der sich abspielenden Bedrohung der Ukraine nicht einmal anzudeuten! Neue Zürcher Zeitung, 9.2.2022, S. 16.
[50] Knut Ipsen (Hg.): Völkerrecht. München 72018, S. 1138ff. (Wolff Heintschel v. Heinegg). Zur „Androhung von Gewalt“ Rdn. 25ff., S. 1142.
[51] Anne Peters: Völkerrecht. Allgemeiner Teil. Zürich, Basel, Genf 32012, S. 308f.
[52] Schwächere Gewaltandrohungen wären, wenn sie unter das Interventionsverbot des Art. 2 Nr. 1 SVN fallen würden, ebenfalls völkerrechtswidrig.
[53] Peters, Völkerrecht [Fn. 51], S. 308f.
[54] Johannes Voswinkel: Zynismus mit journalistischem Antlitz. Russlands Medien, die Macht und die Ukraine, in: Osteuropa, 5‒6/2014, S. 175‒191. ‒ Andreas Rüesch: Noch ist die Ukraine am Leben. NZZ, 2.12.2021, S. 13.
[55] Eine Ausnahme ist das zur Republik Moldova gehörende Transnistrien, wo am Dnjestr russländische Truppen stehen. Otto Luchterhandt: Transnistrien vor und nach dem Regimewechsel in Kiew und Russlands Krim-Annexion, in: Osteuropa-Recht, 1/2016, S. 4‒29.
[56] Friedrich Schmidt: Putins westliches Aufmarschgebiet. Belarus übt mit russischen Truppen. FAZ, 9.2.2022, S. 8.
[57] Thomas Gutschker: Kriegsschiffe nehmen Kurs. Vorbereitung auf eine Landungsoperation? FAZ, 10.2.2022, S. 4.
[58] Thomas Gutschker: Das Fenster für eine Invasion der Ukraine öffnet sich. FAZ, 8.2.2022. ‒ Ders.: Von drei Seiten umstellt. FAZ, 24.1.2022, S. 3.
[59] Russische Diplomaten verlassen die Ukraine. Kaliningrad-Domizil.ru, 18.1.2022. Die Konsulate Russlands in Odessa und Charkiv sind nicht betroffen, vermutlich deswegen nicht, weil sie im Falle einer Invasion Russlands sich wegen ihrer Lage sofort unter dem Schutz der russländischen Streitkräfte befinden würden.
[60] Familien von US-Diplomaten sollen Kiew verlassen. Tagesschau.de, 24.1.2022.
[61] Warum ist Putins Jacht aus Hamburg geflüchtet? Euronews.com, 9.2.2022.
[62] Russland bleibt Münchner Sicherheitskonferenz fern. FAZ.net, 9.2.2022.
[63] Majid Sattar, Friedrich Schmidt: Plant Russland eine False-Flag-Operation? FAZ, 17.1.2022, S. 2. Die Erklärungen verbreitete Jake Sullivan, Sicherheitsberater des US-Präsidenten.
[64] Russland ist erst am 24.12.1991, d.h. einen Tag vor dem formellen Untergang der Sowjetunion, in die UNO aufgenommen worden und mit der UdSSR nicht identisch.
[65] Theodor Schweisfurth: Völkerrecht. Tübingen 2006, S. 350ff. ‒ Knut Ipsen: Völkerrecht. München 62014, S. 173ff. – Matthias Herdegen: Völkerrecht. München 202021, S. 279f.
[66] A/RES/25/2625 ‒ Declaration on Principles of International Law concerning Friendly Relations and Co-operation among States in accordance with the Charter of the United Nations ‒ UN Documents: Gathering a body of global agreements, <www.un-documents.net/a25r2625.htm>.
[67] A.N. Vylegžanin (Red.): Meždunarodnoe pravo. Učebnik. Moskva 2010, S. 104f. ‒ A.A. Kovalev, S.V. Černičenko (Red.): Meždunarodnoe pravo. Učebnik. Moskva 2011, S. 65f. ‒ G.V. Ignatenko, O.I. Tiunov (Red.): Meždunarodnoe pravo. Učebnik. Moskva 52009, S. 159f. ‒ I.V. Getʼman-Pavlova: Meždunarodnoe pravo. Učebnik. Moskva 2006, S. 50f.
[68] Hannes Adomeit, Frank Kupferschmidt: Russland und die Nato. Berlin 2008 [= SWP-Studie 10/2008], S. 18.
[69] Ebd., Fußnote 42.
[70] Dazu das Themenheft Belarus: „Macht statt Gewalt: Schritte zur Freiheit“ oder: „Gewalt statt Macht. Repression, Schikane, Terror: Osteuropa, 10‒11/2020.
[71] Zutreffend die luzide Analyse von Andreas Rüesch: „Bedroht ist Putin, nicht Russland“. NZZ, 12.2.2022, S. 1.
[72] Die Texte der Vereinbarungen sind in deutscher Übersetzung dokumentiert bei Otto Luchterhandt: Die Vereinbarungen von Minsk über den Konflikt in der Ostukraine (Donbass) aus völkerrechtlicher Sicht, in: Archiv des Völkerrechts, 4/2019, S. 428‒465, hier S. 459‒464.
[73] Dazu und zum Folgenden Luchterhandt, Die Vereinbarungen von Minsk [Fn. 72], S. 430f.
[74] Miriam Kosmehl: Tschetschenien und das internationale Recht, in: Florian Hassel (Hg.): Der Krieg im Schatten. Rußland und Tschetschenien. Frankfurt/Main 2003, S. 99‒123. ‒ Otto Luchterhandt: Tschetscheniens Versuch nationaler Unabhängigkeit: innere Ursachen seines Scheiterns, in: OSZE-Jahrbuch 2000. Baden-Baden 2000, S. 18‒212.
[75] Entscheidung vom 31.7.1995 Nr. 10-P, Sobranie Zakonodatelʼstva Rossijskoj Federacii 1995, Nr. 33, Pos. 3424.
[76] Außenministers Sergej Lavrov auf der Sitzung des Ministerrates der OSZE-Staaten in Stockholm am 2.12.2021, <www.mid.ru/ru/press_service/minister_speeches/1788501/ >.
[77] Ausführlicher bei Luchterhandt, Die Vereinbarungen von Minsk [Fn. 72], S. 435ff.
[78] Putin, Über die historische Einheit [Fn. 7], S. 64
[79] Interview des Außenministers Russlands, Sergej Lavrov, für die Radiosender Sputnik, Echo Moskvy, Govorit Moskva und die Komsomol’skaja Pravda, 28.1.2022,
<https://mid.ru/ru/foreign_policy/news/themes/id/1796330/?lang=de>.